Bürgergespräch im Schweizergarten

Bürgergespräch im Schweizergarten

Einer hat gefehlt beim Bürgergespräch, zu dem Oberbürgermeister Jörg Röglin am vergangenen Montag die Wurzener ins Kulturhaus Schweizergarten eingeladen hatte: Christoph Mike Dietel, Gründer des „Neuen Forums für Wurzen“, nach eigenen Aussagen mit dem Ziel, den Wurzener Bürgern eine Stimme zu geben, war zwar kurz vor Beginn der Veranstaltung vor Ort, hat aber dann doch die Chance nicht genutzt, mit dem Stadtoberhaupt und den Vorsitzenden der im Stadtrat vertretenen Fraktionen in einen offenen Diskurs zu treten.

Dass die Wurzener bereits Möglichkeiten haben und diese auch nutzen, sich in ihrer Stadt Gehör zu verschaffen, machte Jörg Röglin dann gleich zu Beginn der Veranstaltung am Beispiel der sehr offen und vor allem auch ergebnisoffen geführten Diskussion um den Erhalt der Grundschule an der Sternwarte oder aktuell um das Parkraumkonzept deutlich. Die Verwaltung hat in der Vergangenheit viele Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung geschaffen, so sind seit einiger Zeit nicht nur die Stadtrats-, sondern auch die vorbereitenden Ausschusssitzungen öffentlich, die Bürger können sich über das Ratsinformationssystem über Sitzungstermine, Inhalte und zu treffende Entscheidungen informieren und relevante Unterlagen dazu einsehen.

Mit dem aktuellen Gesprächsangebot unter dem Motto „Das wird man doch mal sagen dürfen“ will die Stadt, über die parlamentarische und Verwaltungsarbeit hinaus, Vertrauen, das in der emotional aufgeladenen Situation seit Anfang des Jahres offenbar bei vielen Bürgern abhanden gekommen ist, wieder aufbauen. Gemeinsam wolle man darüber sprechen, was man anders machen könne, um das Beste für die Stadt zu erreichen.

Moderator Dr. Hartwig Kasten, Präsident des Sozialgerichts Leipzig, betonte das Recht jeden Bürgers auf freie Meinungsäußerung als Grundlage des demokratischen Prozesses, allerdings in den Grenzen des Grundgesetzes, die z. B. bei Beleidigungen oder Verunglimpfungen anderer zu ziehen seien.

Entsprechend sachlich verlief unter seiner professionellen Führung die Diskussion, in der immer wieder die Meinung vorherrschte, dass ein großer Teil der derzeitigen Probleme von außen in die Stadt getragen würde. Vor allem in Bezug auf die Integration von Flüchtlingen sei es durch fehlende Informationen, sogenannte Fake-News in den sozialen Medien und auch Fehlentscheidungen auf Bundesebene zu Unzufriedenheit, Angst und Unmut in der Stadt gekommen.

Doch es gab auch Kritik am Umgang miteinander. Thomas Müller beispielsweise, der in der Kirchgemeinde aktiv ist und auch als berufener Bürger die Stadtratsarbeit unterstützt, ist sich nicht immer sicher, ob die Stadträte wirklich etwas für die Stadt bewegen wollen, oder ob nicht vielleicht immer wieder persönliche Befindlichkeiten im Vordergrund stünden. Auch die Stadträte müssten lernen, aufeinander zu hören, als Basis, um Extremismus Einhalt zu gebieten.

Torsten Gläser meldete sich für die Sportvereine zu Wort, die bereits viel für die Flüchtlingsarbeit tun, z. B. über Schwimmkurse und sportliche Aktivitäten, mittlerweile aber an ihre Grenzen kommen, da es an ehrenamtlichen Übungsleitern fehlt. Gerade die vielen ehrenamtlich Engagierten hätten kein Verständnis dafür, wenn Leute von außerhalb die Wurzener schlechtreden würden.

Die Arbeit vieler Ehrenamtlicher wird auch durch das Netzwerk für demokratische Kultur (NDK) gebündelt, für die Frank Schubert deutlich machte, dass man sehe und auch immer wieder sage, was in Wurzen gut laufe. Gewalt und Menschenfeindlichkeit müssten aber kritisiert werden, was man allerdings ohne Pauschalurteile tue.

Auf die Frage des Moderators, wie man denn eine Atmosphäre für ein besseres Zusammenleben in der Stadt schaffen könne, wünschte sich Stadtsprecherin Conny Hanspach mehr Normalität im Umgang mit den Flüchtlingen. Vorbehalte und Unterschiede müssten abgebaut werden und gleiche Rechte und Pflichten für alle gelten. Genauso wie den deutschen Jugendlichen müsse man beispielsweise auch den jungen Flüchtlingen sagen dürfen, dass es sich nicht gehört, sich die Zeit mit Biertrinken auf den Bänken im Alten Friedhof zu vertreiben, ohne deshalb als Ausländerfeind zu gelten.

Mit dem Ringelnatz-Zitat „ Vom andern aus lerne die Welt begreifen“ warb Thomas Zittier, Stadtrat und aktiv im Verschönerungsverein „Die Stadtwandler“, um mehr Verständnis und Offenheit im Umgang miteinander und setzte damit einen vorläufigen Schlusspunkt unter die Veranstaltung, die jedoch laut Oberbürgermeister Jörg Röglin keine Eintagsfliege sein soll: Für den 16. Juni 2018 sind die Wurzener zum Bürgerbrunch auf dem Marktplatz eingeladen.