Bedingungsloses Grundeinkommen – Katja Kipping diskutiert mit Wurzenern

Bedingungsloses Grundeinkommen – Katja Kipping diskutiert mit Wurzenern

Bevor es bei der gestrigen Abendveranstaltung im D5 am Domplatz in geselliger Runde gemütlich wurde, hatte Katja Kipping schon einen anstrengenden und bewegten  Tag hinter sich gebracht. Sie wolle auf ihrer Sommertour, so die Parteivorsitzende der Linken, außerhalb von Wahlkampfzeiten mit Leuten ins Gespräch kommen, Sorgen und Probleme anhören und dabei auch die schönen Seiten von Sachsen kennenlernen.

Gelegenheiten dazu hatte sie zahlreich auf ihrer Tour per Drahtesel durchs Muldental. Zum Beispiel beim Besuch des Landguts Nemt, wo es unter anderem um nachhaltige Landwirtschaft und die Vermarktung regionaler Produkte ging oder bei der Fahrt mit der Muldenfähre, während der Imker Gottfried Stecher über die Bedeutung der Bienen für Natur und Landwirtschaft informierte oder auch beim Besuch im Dorf der Jugend in Grimma.

Abends ging es dann um das Thema bedingungsloses Grundeinkommen, mit dem sich die Linken-Politkerin nach eigener Aussage nun schon rund 15 Jahre beschäftigt. Entsprechend sattelfest in der Argumentation informierte und debattierte sie mit interessierten Wurzenern.

Aus ihrer Sicht gebe es, so Katja Kipping, vier Kriterien für ein bedingungsloses Grundeinkommen: Die Grundsicherung, im Gespräch sei eine Summe zwischen 800 und 1200 Euro, solle Erwachsenen zugute kommen, die dauerhaft in Deutschland leben, dies müsse ein individuelles Recht sein, also für alle gleichermaßen gelten. Es dürfe keine Gegenleistung in irgendeiner Form dafür eingefordert werden und keiner müsse vorher nachweisen, dass er bedürftig sei. Für Kinder solle es die Hälfte der Grundsicherungssumme als Auszahlung geben, die andere Hälfte solle in soziale Infrastruktur fließen, etwa in kostenloses Schulessen oder Kinderbetreuung.

Das werfe natürlich gleich zu Anfang die Frage auf, ob dann auch die reichen Millionäre Anspruch auf Grundsicherung hätten. Die Frage sei zu bejahen, allerdings müsse man bedenken, dass nach diesem Modell die Grundsicherung dadurch finanziert würde, dass alle Einkommen gleichermaßen besteuert würden, wodurch das obere Einkommensdrittel weit höhere Kosten zu tragen habe, als ihm durch die Grundsicherung dann wieder zufließe.

Als Gründe für die Einführung der Grundsicherung nannte Katja Kipping zum einen, dass die Furcht vor Stigmatisierung, die derzeit Empfänger von Hartz IV betreffe und die viele Betroffene auch davon abhalte, Leistungen in Anspruch zu nehmen,  wegfallen würde, wenn, wie z. B. jetzt schon beim Kindergeld, jeder Anspruch darauf hätte. Existenzängste, die zum Teil auch für das Erstarken von Extremismus verantwortlich seien, würden gemindert.

Zudem würden sich voraussichtlich für viele Berufsgruppen die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern lassen, da man nicht mehr darauf angewiesen sei, vollschichtig zu arbeiten. Dadurch würde die Arbeit auf mehr Leute verteilt, die dann insgesamt weniger Zeit für Arbeit aufwenden müssten und mehr Zeit für Familie und auch für gesellschaftliches Engagement hätten. Nicht zuletzt hätten auch Arbeitnehmer und Gewerkschaften eine deutlich bessere Verhandlungsbasis, um bessere Arbeitsbedingungen zu erstreiten.

Die Frage nach der Umsetzbarkeit solcher Pläne brachte die Grenzen zutage, die das Projekt derzeit hat, denn die nötigen Mehrheiten im Bundestag gibt es wohl dafür noch nicht. Eventuell, so Katja Kipping, wäre ein Volksentscheid die Lösung, dies sei aber derzeit in der Verfassung nicht verankert. Denkbar wäre aber aus ihrer Sicht eine schrittweise Umsetzung, z. B. zunächst durch Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV, bei der Einbeziehung von Bedarfsgemeinschaften oder die Einführung der Grundsicherung bezogen auf Lebenslagen, z. B. zunächst nur für Rentner und/oder Kinder.

Die größten Meinungsverschiedenheiten zwischen Gegnern und Befürwortern gab es in der Diskussionsrunde bei der Frage, inwiefern es gerecht sei, wenn Leute, die gegenüber der Gesellschaft keine Leistung erbringen wollen, trotzdem finanzielle Unterstützung bekämen. Auch hier müsse man aber, so Katja Kipping, die Frage stellen, wer denn das Recht habe, zu bewerten, welche Arbeit oder Tätigkeit, ob produktiv und gegen Lohn oder Ehrenamt bzw. Familienarbeit, welchen Wert für die Gesellschaft habe. Derzeit sei es in vielen Fällen nicht so, dass Leute, die viel Geld erhielten, dafür tatsächlich eine entsprechend wertvolle Leistung erbrächten, wohingegen schlecht oder gar nicht bezahlte Tätigkeiten weitaus wichtiger für das Zusammenleben in der Gemeinschaft seien.

Einigkeit konnte in dieser grundlegenden Frage zwar nicht erzielt werden, aber zumindest dürften die meisten Teilnehmer um einige nachdenkenswerte Informationen und Argumente reicher schließlich den Heimweg angetreten haben.