Kleingärtner hoffen auf Rechtssicherheit

Kleingärtner hoffen auf Rechtssicherheit

Eigentlich hatten die Vereinsvorstände der drei Wurzener Kleingartenvereine „Muldenaue“, „Am Doktorteich“ und „Am Windmühlenweg“ gehofft, mit ihrer Unterschrift unter die Pachtverträge mit der Stadt Wurzen am 1. November 2017 endlich Rechtssicherheit und die nötige Ruhe zu finden, die dringenden Zukunftsaufgaben für ihre Vereine in Angriff nehmen zu können. Doch wie schon in den Jahren zuvor hatte Frank Lichtenberger, seines Zeichens Präsident des Regionalverbands „Muldental“ der Kleingärtner e. V., diese Hoffnung schon im Vorfeld zunichte gemacht und juristische Schritte angedroht. Vorangegangen waren bereits mehrere vom Regionalverbandspräsidenten angestrengte Gerichtsverfahren gegen die drei KGV, die dieser allesamt zwar verloren, jedoch immer wieder in der nächsten Instanz erneut  angestrengt hatte.

Nachdem im Rahmen des vom Regionalverband vorgelegten Entwurfes eines Kleingartenentwicklungskonzeptes schließlich zwei der drei Vereine gänzlich von der Wurzener Landkarte getilgt werden sollten, hatten die Betroffenen zur Wahrung ihrer Interessen zunächst eine Arbeitsgruppe und schließlich einen eigenen Wurzener Stadtverband gegründet. Dem geplanten Austritt aus dem Regionalverband zum 1. Januar 2018 war der Verbandspräsident zuvorgekommen indem man die drei Vereine kurzerhand aus dem Regionalverband ausschloss, verbunden mit der Forderung, sämtliche nicht verpachteten Flächen in unbebautem und vollständig beräumtem Zustand an den Regionalverband zurückzugeben.

Die Stadt Wurzen als Eigentümerin hatte daraufhin, um den betroffenen KGV den Weg in die Insolvenz zu ersparen, gegenüber dem Regionalverband eine Teilkündigung der entsprechenden Pachtflächen ausgesprochen und den drei aus dem Regionalverband ausgeschlossenen Kleingartenvereinen eigene Pachtverträge direkt mit der Stadt angeboten. Die neuen Pachtverträge enthalten jedoch eine auflösende Bedingung für den Fall, dass die Teilkündigung der betreffenden Flächen vom Gericht als nicht rechtens erachtet wird.

Grund für diese Vertragsklausel ist die Ankündigung von Frank Lichtenberger, gegen die Teilkündigung gerichtlich vorzugehen. Um die Rechtslage endgültig zu klären und allen Vertragspartnern Rechtssicherheit zu geben, hatte die Stadt ihrerseits daher bei Gericht eine Feststellungsklage eingereicht, über die am Oberlandesgericht Dresden am 15. August dieses Jahres verhandelt werden soll.

Über die Gründe dafür, dass Frank Lichtenberger so vehement auf den Interessen des Regionalverbandes besteht, kann nur spekuliert werden. Er selbst begründet seine Nicht-Anerkennung der Teilkündigung damit, dass die Stadt dadurch gegen das Kleingartengesetz verstoße, da die Gefahr bestünde, dass die Flächen aus der kleingärtnerischen Nutzung fallen. Dass dem nicht so ist, hat die Stadt bereits dadurch bewiesen, dass sie unmittelbar nach der Teilkündigung gegenüber dem Verband eigene Pachtverträge mit den Kleingartenvereinen abgeschlossen hat, um deren Existenz zu sichern. Demgegenüber hat Frank Lichtenberger in seinem Entwurf des Kleingartenentwicklungskonzeptes vorgesehen, zwei der drei betroffenen Vereine vollständig aufzulösen und die entsprechenden Flächen an die Stadt zur anderweitigen Nutzung, beispielsweise als Bauland, zurückzugeben.

Denkbar wäre, dass hier auch ganz private Interessen eine Rolle spielen, denn Frank Lichtenberger ist nicht nur ehrenamtlicher Präsident des Regionalverbandes, sondern seit einiger Zeit auch angestellter Mitarbeiter in dessen Geschäftsstelle. Hier ist er zwar offiziell der Geschäftsführerin Bärbel Baier ohne weitere Tätigkeitsbeschreibung als Mitarbeiter zugeordnet, dieser gegenüber aber kraft Verbandssatzung als Präsident gleichzeitig auch weisungsbefugt. Da sich der Verband laut Satzung zum großen Teil durch Mitgliedsbeiträge finanziert, hängt von der Zahl der im Verband organisierten Mitgliedsvereine und Gartenpächter auch ab, ob man sich auch künftig das Gehalt für einen angestellten Mitarbeiter in der Geschäftsstelle leisten kann.

Sollte das Landgericht in Dresden am 15. August im Sinne der Stadt Wurzen entscheiden, bestünde zumindest die reale Gefahr, dass auch andere Vereine sich vom Regionalverband trennen, denn längst nicht alle Wurzener Vereine sind mit dem Vorgehen von Frank Lichtenberger einverstanden. Die Entscheidung der Verbandsversammlung zum Ausschluss der drei KGV im April 2017 beispielsweise haben von den 17 anwesenden Wurzener Vereinsvertretern lediglich zwei mitgetragen, einer davon war der KGV Sonnenblick, dessen Vorstand Frank Lichtenberger selber ist.

Und auch in anderen Kommunen des Muldentals gibt es seit Jahren Widerstände gegen die repressiven Methoden des Verbandspräsidenten. Unserer Redaktion liegt u. a. eine Zuschrift von Stefan Bischoff, Vorstand der KGV Rappenberg in Grimma vor, der nach eigenen Angaben seit 2014 in die Problematik involviert und bis dato selbst betroffen ist. Dieser schreibt:

„Es ist höchste Zeit, dass das Agieren des Präsidenten und die daraus resultierenden Folgen für die einzelnen KGV und ihre Mitglieder incl. für die ehrenamtliche Vereinstätigkeit einer breiten Öffentlichkeit und den Grundstückseigentümern der Pachtflächen bekannt und bewusst gemacht wird.

Verständlich ist das Bestreben einiger KGV, sich diese Diktate und den Umgang mit den Mitgliedsvereinen durch das Präsidium des RV der Kleingärtner MTL e.V.  nicht mehr bieten zu lassen und sich dem durch das künftige „Gehen eigener Wege“ zu entziehen.“

Aus dieser Sicht heraus wird verständlich, warum Frank Lichtenberger so angestrengt darum bemüht ist, die Verhandlung vor dem Oberlandesgericht in Dresden am 15. August doch noch zu verhindern. In einem Brief vom 11.06.2019, der offenbar an alle neu gewählten Wurzener Stadträte geschickt wurde und unserer Redaktion vorliegt, ist unter anderem davon die Rede, dass diese „umgehend veranlassen, dass die Stadt Wurzen ihre Berufungsklage am OLG Dresden aussetzen lässt und dem Regionalverband alle seit 2016 offenen Fragen beantwortet. Zudem sollten Sie umgehend ein Ergebnis auf kommunaler Ebene finden, um weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden.“

Worin genau dieser Schaden für die Stadt bestehen soll und welche Fragen angeblich offen sind, wird nicht erklärt, auch dass die Stadt, wie zwischenzeitlich zu erfahren war, mehrfach Vergleichsangebote gemacht hat, die einen Gerichtsentscheid entbehrlich machen würden und dem Vernehmen nach auch aktuell noch bestehen, bisher von Herrn Lichtenberger jedoch nicht angenommen wurden, wird dabei nicht erwähnt.

Wer genau dieses Schreiben an die Stadträte verfasst hat, ist zudem unklar, denn ein konkreter Absender gibt sich darin nicht zu erkennen. Zwar steht im Briefkopf der Regionalverband, im Unterschriftenblock stehen jedoch lediglich Funktionsbezeichnungen und keine Namen der betreffenden Personen, die geleisteten Unterschriften sind nicht lesbar.

Fakt ist jedoch, dass der Brief an die Stadträte nicht nur unbelegte Spekulationen über einen angeblichen Schaden für die Stadt enthält, sondern auch nachweisbare Unwahrheiten. Zum Beispiel die Behauptung, der von Frank Lichtenberger im Jahre 2016 vorgelegte Entwurf eines Kleingartenentwicklungskonzepts „beruhe ausschließlich auf den Vorgaben der Stadtverwaltung und wurde mit den betroffenen Vereinsvorständen vorab abgestimmt.“ Bei einem Treffen der Vereinsvorstände im Vorfeld der Gründung des Stadtverbandes im Februar 2017, zu dem Frank Lichtenberger trotz Einladung nicht erschienen war, hatten sämtliche 11 anwesenden Wurzener Vereinsvorstände kritisiert, in die Erarbeitung des Konzeptes nicht eingebunden worden zu sein.

Seitens des Stadtverbandes Wurzen der Gartenfreunde e.V. hofft man, dass mit dem 15. August endlich Klarheit über die weitere Zukunft der Wurzener Kleingartenvereine geschaffen und die dringend nötige Erarbeitung eines Kleingartenentwicklungskonzeptes möglich wird, das diesen Namen auch verdient. In einem Schreiben an die neu gewählten Stadträte vom 17.06.2019 heißt es u. a. zum Thema Rechtsstreit:

„Am 15. August 2019 ist z. B. die Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Dresden (II. Instanz) in der Sache Stadt Wurzen gegen den Regionalverband. Der Rechtsanwalt der Vereine ist dem Rechtsstreit auf Seiten der Stadt beigetreten. Er vertritt hier die drei Vereine, denn der RV verfolgte das Ziel diese drei verschwinden zu lassen. Bei Aufgabe der KGV müssen die Pächter den Rückbau aller Parzellen (Grabeland) und den Abriss der Vereinsheime übernehmen. Des Weiteren werden bis dahin alle Parzellenpächter mit jährlich 240,00 € zusätzlich zu den jetzigen Kosten belastet. Das ist der Ruin der Vereine. Das Urteil bzw. der Ausgang der Verhandlung stellt die Weichen für die zukünftige Entwicklung der Flächen und der drei Vereine. Vergleichsangebote in den Rechtsstreitigkeiten zwischen den drei KGV und dem RV, und auch der Stadt Wurzen gegen den RV, wurden vom RV abgelehnt.“

Zum Thema  Kleingartenentwicklungskonzept schreibt der Stadtverband:

„Ausgearbeitet wurde es durch den Regionalverband, ohne Mitarbeit und Informationen der KGV in Wurzen, spruchreif ist es noch lange nicht. Wir wollen mitarbeiten, Ihnen einen Weg der effektiven Herangehensweise schildern, insbesondere darlegen wie aus unserer Sicht von Anfang an

  1. a) Stadtverwaltung, b) Stadträte, c) Regionalverband, d) Kleingartenvereine und e) Experten

gemeinsam etwas auf den Weg bringen, was abgestimmt veröffentlicht wird und in Jahresscheiben umsetzbar ist.“

Zudem möchten die Mitgliedsvereine des Stadtverbandes eine möglichst breite Diskussion über die anstehenden Zukunftsfragen anstoßen:

„Wir schätzen den sachlichen respektvollen Dialog miteinander, favorisieren eine gemeinsame Entscheidungsfindung und offene Form der Zusammenarbeit. Der Austausch mit hoher Transparenz, vor allem mit den Andersdenkenden schafft Erfolg und ist Grundlage des demokratischen Miteinander. Lassen Sie uns gemeinsam die Thematik in einer öffentlichen Sitzung oder einem Bürgertreffen besprechen und für alle Kleingärtner und Bürger der Stadt akzeptable Lösungen schaffen. Lassen Sie uns Ihre Arbeit unterstützen und holen Sie sich die benötigten Informationen direkt bei den Betroffenen.“