Possenspiel um Abstandsschild

Possenspiel um Abstandsschild

Es sah so aus, als käme Bewegung in die Diskussion um die Sicherheit des Radverkehrs auf der Staatsstraße S42. Zumindest konnte man dies einem Schreiben des säschsischen Staatsministers für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Martin Dulig an den Wurzener Oberbürgermeister Jörg Röglin von Mai 2019 entnehmen. Darin wirbt der Minister zum Thema Verkehrssicherheit auf der Straße zwischen den Ortsteilen Kühren und Sachsendorf um eine Sensibilisierung aller Beteiligten.

Hintergrund war die Ankündigung der Bürgerinitiative Radweg S42, die Einhaltung des aufgrund der zu geringen Straßenbreite bestehenden faktischen Überholverbots für Lkw künftig mit mehr Vehemenz einzufordern und ggf. rechtswidrige Überholvorgänge zu dokumentieren bzw. zur Anzeige zu bringen. Ziel sei dabei in erster Linie die Information und Sensibilisierung der Lkw-Fahrer, damit langfristig die Einhaltung des Überholverbotes und dadurch eine sichere Fahrt für Fahrräder auf der S42 erreicht wird.

Die verantwortlichen Behörden, also das Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV) und die Stadtverwaltung Wurzen, wurden aufgefordert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Kraftfahrer z. B. durch entsprechende Beschilderung über die Rechtslage zu informieren – insbesondere vor dem Hintergrund, dass in den nächsten beiden Jahren eben diese Behörden für den Ausbau der Ortsdurchfahrt Kühren verantwortlich zeichnen, was in diesem Zeitraum mit hoher Wahrscheinlichkeit für erhöhten Schwerlastverkehr auf der S42 sorgen wird.

In seinem Schreiben an den Wurzener OBM stößt Minister Dulig grunsätzlich ins gleiche Horn: Es sei unstrittig, dass zu geringe Seitenabstände beim Überholen von Radfahrern zu einem erhöhten Unfallrisiko führen würden und deswegen eine erhöhte gegenseitige Rücksichtnahme geboten sei. „Diesen wichtigen und der Verkehrssicherheit aller Straßennutzer dienenden Grundsatz sollten neben der Polizei, der Verkehrswacht, dem ADAC und ADFC auch die örtlichen Verantwortlichen immer wieder kommunizieren. In der Anlage finden Sie ein Beispiel, wie andere Kommunen sich der Problematik annehmen. Auch persönliche Gespräche zum Beispiel mit Fahrzeugführern von ortsansässigen Firmen oder Veranstaltungen in kinderbetreuenden Einrichtungen können ein guter Weg sein, um das gegenseitige Verständnis zu befördern.“

Wie Michael Zerbs, in der Wurzener Stadtverwaltung für Straßenbaumaßnahmen zuständig, in der jüngsten Stadtratssitzung auf Anfrage der Grünen erläuterte, habe man entsprechend des Schreibens von Minister Dulig Kontakt zum ADFC aufgenommen, der den Bedarf zur Aufstellung eines Informationsschildes an der S42 geprüft und bestätigt habe.

Die nachfolgende Anfrage beim LASuV brachte jedoch ein erstaunliches Ergebnis: Bei dem Schild handle es sich um ein nichtamtliches Schild, die Niederlassung Leipzig lehne deshalb die beantragte Aufstellung ab. Begründung: Derzeit liefen Abstimmungen beim SMWA bezüglich dieses Hinweisschildes, die abschließende Entscheidung des Ministeriums sei abzuwarten.

Es mutet wie eine Verwaltungsposse an, dass der Minister ein Schild vorschlägt und seine zuständige Behörde dieses ablehnt. Weder die Ablehnung noch die Begründung dafür erscheinen nachvollziehbar: Im Schreiben von Minister Dulig wird ausdrücklich auf ein positives Beispiel, nämlich die Zusammenarbeit zwischen der Ortsgruppe Radebeul des ADFC und der Kommune, hingewiesen und erläutert, dass Kommunen, die das Schild aufstellen wollen, sich mit dem ADFC dazu ins Benehmen setzen sollten, da eine allgemeine Nutzungsvollmacht für den Freistaat Sachsen noch in Abstimmung sei – offenbar gibt es also keine verkehrsrechtlichen Probleme damit und das Ministerium steht der Aufstellung grundsätzlich positiv gegenüber.

Laut Michael Zerbs gibt es mittlerweile wieder Gespräche mit dem örtlichen ADFC, geplant sei, in ca. zwei Monaten ein eventuell etwas modifiziertes Hinweisschild an der S42 aufzustellen. In jedem Fall werden sich die Verantwortlichen beim LASuV und im zuständigen Ministerium aber darauf einstellen müssen, dass die Radfahrer auf der S42 künftig ihr Recht auf gleichberechtigte und sichere Teilhabe am Straßenverkehr einfordern werden – mit oder ohne Hinweisschild.