Neues Forum für Wurzen will Gerichtstermin stoppen – Gartenvereine wollen Rechtssicherheit

Neues Forum für Wurzen will Gerichtstermin stoppen – Gartenvereine wollen Rechtssicherheit

Es verdeutlicht einmal mehr die politische Arbeitsweise des Neuen Forum für Wurzen (NFW), dass deren Antrag in der jüngsten Stadtratssitzung, den Rechtsstreit der Stadt Wurzen mit dem Regionalverband der Kleingärtner im Muldental (RV) sofort zu beenden, mit einer verfälscht bzw. unvollständig dargestellten Aussage der Kommunalaufsicht begründet wurde.

Diese habe mitgeteilt, so Lars Vogel als Vertreter des NFW, dass der Wurzener Oberbürgermeister Jörg Röglin einen Verstoß gegen die Hauptsatzung begangen habe, als er gegenüber dem RV eine Teilkündigung von Pachtflächen ausgesprochen habe. Dies stelle einen Formfehler dar, weshalb der Rechtsstreit mit dem RV keine Grundlage habe.

Den Hinweis des OBM, dass doch bitte die gesamte Stellungnahme der Kommunalaufsicht berücksichtigt werden solle, aus der hervorgeht, dass, selbst wenn ein Verstoß gegen die Hauptsatzung vorliege, die rechtliche Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung davon unberührt bliebe, ignorierte Herr Vogel, genauso wie im Verlauf der Diskussion AfD-Stadtrat Rene Opolka, der bereits Anfang März in einem Schreiben an alle Stadträte ähnliche Argumente vorgebracht hatte.

Bereits im November 2019 war die Kommunalaufsicht auf entsprechende Anfrage des RV-Präsidenten Frank Lichtenberger der Auffassung der Rechtsvertreter der Stadt gefolgt, wonach der Oberbürgermeister, unabhängig davon, ob die in der Hauptsatzung festgelegte finanzielle Grenze von 5000 Euro Streitwert im Einzelfall überschritten sei, aufgrund der besonderen Umstände in diesem Fall zur Teilkündigung der Flächen trotzdem berechtigt war und dies auch an der Wirksamkeit dieser Willenserklärung nichts ändere.

Dass Regionalverbandspräsident Lichtenberger sich nun offenbar der Hilfe von NFW und AfD bedient hat, um das Thema erneut aufs Tapet zu bringen, dürfte daran liegen, dass der 11. Juni immer näher rückt, der Tag, an dem das Oberlandesgericht in Dresden nun endlich darüber entscheiden will bzw. soll, ob die Stadt Wurzen als Eigentümerin der Flächen das Recht hat, selbst zu bestimmen, mit wem sie Pachtverträge im Sinne des Kleingartengesetzes eingeht.

Wie Jörg Röglin dem Stadtrat nochmals erläuterte, gehe es schlicht darum, die betroffenen Kleingartenvereine „Am Windmühlenweg“, „Am Doktorteich“ und „Muldenaue“ vor dem wirtschaftlichen Ruin zu bewahren. Zu diesem Zweck hatte die Stadt unmittelbar nach deren Ausschluss aus dem Regionalverband eine Teilkündigung der von diesen bewirtschafteten Flächen gegenüber dem RV ausgesprochen und mit den Vereinen eigene Zwischenpachtverträge mit Wirkung zum 01.12.2017 abgeschlossen.

Da der RV bzw. dessen Präsident diese Teilkündigung nicht anerkennen will, hat die Stadt eine Feststellungsklage, erstinstanzlich beim Landgericht Leipzig, eingereicht, um Rechtssicherheit für die betroffenen Vereine und die Stadt zu erlangen. Nachdem die Stadt in diesem Verfahren zunächst unterlag und Berufung einlegte, soll der Streit nun in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht in Dresden entschieden werden.

Welche Ziele Frank Lichtenberger verfolgt, indem er die von den ausgeschlossenen Vereinen bewirtschafteten Flächen nicht aus dem Generalpachtvertrag mit der Stadt herausgeben will, ist weniger plausibel. Immerhin hat er in seinem Entwurf eines Kleingartenentwicklungskonzeptes ausgerechnet die gesamten Flächen der KGV „Am Windmühlenweg“ und „Muldenaue“ für die Rückgabe an die Stadt Wurzen zur Umnutzung als Bauland und anderes vorgesehen. Offenbar geht es ihm also nicht darum, diese Flächen für die kleingärtnerische Nutzung zu sichern.

Unter anderem dieses Vorhaben hat überhaupt erst zur Eskalation der Streitigkeiten zwischen den betroffenen Kleingartenvereinen und dem Regionalverband geführt, in deren Verlauf die Stadt als Eigentümerin der Flächen, auf denen immerhin mehr als 350 Gartenpächter einen großen Teil ihrer Freizeit verbringen, in die seit Jahren laufenden verbandsinternen Gerichtsverfahren involviert wurde.

Welche Folgen die von NFW und AfD geforderte sofortige Beendigung des Rechtsstreits zwischen Stadt und RV für die betroffenen Kleingärtner hätte, erklären auf unsere Anfrage die Vereinsvorstände Steffen Göttlinger, Steffen Lange und Rüdiger Weiß (Foto v. l.). In diesem Fall nämlich würden, so die Auskunft, die mit der Stadt abgeschlossenen Zwischenpachtverträge der Vereine ihre Gültigkeit verlieren. Die einzelnen Pächter müssten also direkt mit dem Regionalverband Pachtverträge für ihre Parzellen abschließen, wofür dieser eine Verwaltungspauschale erhebt. Diese beträgt, wie Rüdiger Weiß aus einem Schreiben des RV an die Pächter der KGV „Am Doktorteich“ vom 05.04.2016 zitiert, monatlich 20 Euro für Nichtmitglieder des RV.

Der Regionalverband würde sich also die Verwaltungsarbeit, die die drei Vereine bislang ehrenamtlich erbringen, mit nach derzeitigem Stand monatlich insgesamt rund 7.000 Euro vergüten lassen. Vor dem Hintergrund, dass Frank Lichtenberger nicht nur ehrenamtlicher Präsident des RV, sondern gleichzeitig Mitabeiter der Geschäftsstelle und damit bezahlter Angestellter ist, könnten hier also auch privatwirtschaftliche Interessen eine Rolle spielen. Für Gartenpächter mit geringem Einkommen wäre die Verwaltungspauschale eine viel zu hohe finanzielle Belastung, für die Vereine insgesamt schlicht der wirtschaftliche Ruin.

Weshalb AfD und NFW sich gegen die Interessen so vieler Wurzener Gartenpächter stellen, können die Vereinsvorstände vor allem deshalb nicht nachvollziehen, weil an beide Fraktionen im Vorfeld auch Gesprächsangebote gemacht wurden, um genau diese Probleme aus Sicht der Betroffenen darzulegen. So berichtet Steffen Göttlinger von einem solchen Angebot im Vorfeld der Stadtratssitzung vom Februar an Christoph Mike Dietel vom NFW. Rechtsanwalt Patric Blum, der die Vereine vertritt, hat im Nachgang der Sitzung des technischen Ausschusses im Januar gegenüber Rene Opolka angeboten, dass die Vereinsvorstände der AfD-Fraktion ihre Sicht der Dinge schildern würden, gern auch in Anwesenheit von Frank Lichtenberger. Beide Vorschläge wurden bis dato nicht angenommen.

Um trotz aller bisher gescheiterten Versuche doch noch eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, brachte Stadtrat Thomas Schumann im Verlauf der Stadtratsdebatte am vergangenen Dienstag dann noch einen eigenen Vierpunkteplan der Bürger für Wurzen (BfW) in die Diskussion.

Dieser beinhaltet zum einen die Benennung von Ersatzpersonen, die OBM Röglin und Präsident Lichtenberger vertreten und die Verhandlungen mit den Rechtsanwälten führen sollen. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit soll bedingungslos über die Beilegung der Streitigkeiten mit den 3 Streitparteien verhandelt und eine Lösung für einen Weiterbetrieb der drei ausgeschlossenen Gartenvereine ohne Sanktionen und ohne Vorbedingungen des Verbandes RVMTL gefunden werden. Zudem soll eine Arbeitsgruppe Kleingartenentwicklungskonzept und damit verbundene Weiterentwicklung der Flächen für Kleingärten und Stadt gebildet werden.

Bereitschaft zur Umsetzung des Kompromissvorschlags kam vonseiten des Oberbürgermeisters, lediglich mit dem Vorbehalt, er werde keiner Regelung zustimmen, die den wirtschaftlichen Ruin für die drei betroffenen Vereine bedeuten würde. RV-Präsident Lichtenberger hingegen, der bereits während der abschließenden Erläuterungen den Redner Thomas Schumann mehrfach durch Zwischenrufe störte, verließ unter lautstarkem Protest, kurz bevor der städtische Justiziar auf Geheiß des Oberbürgermeisters „den Herrn hinausbegleiten“ konnte, die Ratsversammlung.

Bereits zuvor hatten sowohl SPD-Fraktionschef Heinz Richerdt als auch Jens Kretzschmar für die Fraktion Die Linke dafür plädiert, nach den zahlreichen Kompromissangeboten, die die Stadt nun schon an den Regionalverband gemacht habe, endlich die Klage durchzuziehen, um Rechtssicherheit zu erlangen. Zudem verwies Heinz Richerdt darauf, dass auch das Oberlandesgericht sich alle Mühe geben werde, im Verlauf des Verfahrens noch einen Vergleich zwischen den Parteien zu erreichen.

Letztendlich lehnte der Rat den Vorschlag des NFW, sofortige Beendigung des Rechtsstreits zwischen Stadt und Regionalverband, mehrheitlich ab. Stattdessen folgten die Stadträte mit 14 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen mehrheitlich dem BfW-Vorschlag – bis spätestens zur Gerichtsverhandlung am 11. Juni haben nun beide Seiten den Auftrag und die Chance, doch noch einen Kompromiss zu finden. Die Verhandlung vor dem Oberlandesgericht ist öffentlich und beginnt um 13:00 Uhr.