Wurzener Stadtväter wehren sich gegen Behördenwillkür

Wurzener Stadtväter wehren sich gegen Behördenwillkür

Ein kämpferisches Zeichen hat sich Oberbürgermeister Jörg Röglin von seinen Stadträten erhofft – zumindest im Technischen Ausschuss hat er es am vergangenen Mittwoch auch bekommen: Einstimmig lehnte das Gremium die Einsprüche ab, die die untere Denkmalschutzbehörde beim Landratsamt gegen den geplanten Bebauungsplan „Handeln und Musizieren am und im Wasserturm“ vorgebracht hatte.

Hauptstreitpunkt dabei ist der geplante Abriss des alten Werkstattgebäudes, der aus Sicht von Stadt und Investoren notwendig ist, um die geforderte Anzahl an Parkplätzen schaffen zu können und eine Sichtachse zwischen Parkplätzen und Aldi-Markt zu erhalten.

Die untere Denkmalschutzbehörde ist jedoch der Meinung, dass es sich bei dem Werkstattgebäude um ein erhaltenswertes Baudenkmal handelt, das nicht abgerissen werden darf. Zudem würde die Planung des Lebensmittelmarktes, einschl. der Dachlandschaft, mit seinen Dimensionen das Straßenbild stören und beeinträchtigen, insbesondere durch die Einsehbarkeit vom Clara-Zetkin-Platz und der Torgauer Straße aus.

Die in der Stadtverwaltung für die Bauleitplanung zuständige Konstanze Neudert verweist im Abwägungsprotokoll zum Bebauungsplan hierzu darauf, dass Kulturdenkmale laut Denkmalschutzgesetz „im Rahmen des Zumutbaren“ denkmalgerecht zu erhalten und vor Gefährdung zu schützen seien. Dies sei laut eines durch die Stadt in Auftrag gegebenen Gutachtens im Falle des Werkstattgebäudes nicht gegeben. Im Protokoll heißt es dazu:

„Für den Abbruch des Werkstattgebäudes wurde bereits ein denkmalschutzrechtlicher Zustimmungsantrag übergeben. Mit dem Denkmalschutzantrag zum Abbruch wurde objektiv nachgewiesen, dass eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit vorliegt, da trotz massiver steuerlicher Abschreibungen kein positiver Ertrag möglich ist, schon gar nicht dauerhaft. Dabei wurde nicht einmal betrachtet, dass es keine Nachnutzung gibt, was zwangsläufig und jederzeit zu einer Unwirtschaftlichkeit führt.“

Zur besseren Einbindung des Lebensmittelmarkts in das Ortsbild würde zudem in der Bauplanung eine Fassadenbegrünung festgesetzt. Weiter heißt es: „Durch den Erhalt des Werkstattgebäudes würden zwangsläufig die Nutzungen des Lebensmittelmarktes und der Musikschule funktionell und wirtschaftlich verhindert. Die Folge wäre weiter eine leer stehende denkmalgeschützte ungenutzte Bebauung, die wegen Unwirtschaftlichkeit verfällt.“

Der Bitte, die Einwände der Unteren Denkmalschutzbehörde zum Bebauungsplan abzulehnen, folgten die Stadträte im Technischen Ausschuss einstimmig. Vor der Abwägung zum Bebauungsplan hatte der Oberbürgermeister nochmals deutlich gemacht, welche umfangreichen Vorarbeiten, Gespräche und Abstimmungen mit Bürgern, Institutionen und Behörden mittlerweile in das Projekt geflossen sind, zuerst mit den künftigen Nutzern, der Musikschule und dem Investor Aldi. Es folgten intensive Diskussionen beispielsweise um die Verlegung der Sportanlage der Pestalozzi-Oberschule wie auch Abstimmungen mit der Straßenbaubehörde in Bezug auf die Umgestaltung der umliegenden Straßen oder der Regionalbus GmbH Leipzig. Mit allen Beteiligten außer der Denkmalschutzbehörde seien Kompromisse gefunden worden.

Justiziar Matthias Rieder hatte zudem aus seinem Schriftwechsel mit der Denkmalschutzbehörde zitiert und deutlich gemacht, dass es aus seiner Sicht keine konkreten Aussagen gebe, mit denen sich deren ablehnende Haltung begründen lässt, vielmehr stütze man sich hier ausschließlich auf unbestimmte Rechtsbegriffe, die auch auf konkrete Nachfrage seinerseits nicht mit fassbaren Inhalten unterlegt worden seien.

Dass ein 11-Millionen-Projekt, das eine immense Aufwertung des gesamten Areals um den Wasserturm, zudem einen wichtigen Impuls für Handel und Attraktivität der Innenstadt und nicht zuletzt die denkmalgerechte Erhaltung und Nutzung des Wasserturms und des Villengebäudes bedeuten würde, wegen eines vergleichsweise unbedeutenden Werkstattgebäudes, das keinerlei Nutzungsmöglichkeiten oder Erhaltungszweck hat, aufs Spiel gesetzt wird, erscheint schwer nachvollziehbar.

Auch deshalb, weil es nicht das erste Mal ist, dass die Denkmalschutzbehörde beim Landkreis wichtige Bauvorhaben in Wurzen torpediert, wie z. B. jüngst die Sanierungsarbeiten im Ringelnatzhaus, und zwar so augenfällig im Unterschied zu benachbarten Kommunen, dass sich viele mittlerweile fragen, woran das liegen mag.

Gut informierte Quellen bringen dies mit der Tatsache in Zusammenhang, dass die untere Denkmalschutzbehörde beim Landkreis Leipzig dem ersten Beigeordneten Gerald Lehne untersteht. Vor dessen Wechsel zum Landkreis war dieser in der Wurzener Stadtverwaltung als Beigeordneter angestellt, die Stelle hatte der Stadtrat jedoch per Beschluss zur Änderung der Hauptsatzung ersatzlos gestrichen.

Mit der einstimmigen Bestätigung des Bebauungsplans haben die Stadträte im Technischen Ausschuss ein klares Signal für das Projekt Wasserturm gesetzt, die endgültige Bestätigung und der Beschluss zur Satzung stehen in der Stadtratssitzung am Dienstag, dem 23. Juni 2020 auf der Tagesordnung, der Entwurf des Abwägungsprotokolls ist über das Ratsinformationssystem einsehbar. Die Sitzung ist öffentlich und beginnt um 18:00 Uhr im Kulturhaus Schweizergarten.

Update 24.06.2020

Auch in der gestrigen Stadtratssitzung gab es ein einstimmiges Votum für den von der Stadt vorgelegten Bebauungsplan und damit ein klares Votum für das Projekt Wasserturm.