Kommunalaufsicht mahnt Verschwiegenheitspflicht an

Kommunalaufsicht mahnt Verschwiegenheitspflicht an

Recht seltsame Töne wiehert derzeit wieder einmal der Amtsschimmel beim Landkreis Leipzig – da es dabei um Glaubwürdigkeit und nicht zuletzt um Pressefreiheit geht, soll  hier ausnahmsweise mal in eigener Sache berichtet werden:

Am vergangenen Montag kam aus dem Büro des Wurzener Oberbürgermeisters ein Schreiben bei mir an mit dem Vermerk „zur Kenntnis und Beachtung“. Das Schreiben stammt von der Kommunalaufsicht des Landkreises Leipzig.

Die unterzeichnende Mitarbeiterin bittet darin OBM Jörg Röglin unter Bezugnahme auf eine “Anfrage von Stadtrat Thomas Schumann zu Nachfragen der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Wurzen, Frau Mathiebe”, in seiner Eigenschaft als Dienstaufsicht „die Gleichstellungsbeauftragte aktenkundig auf ihre Verschwiegenheitspflicht hinzuweisen und künftige Vermischungen ihrer Tätigkeiten (Gleichstellungsbeauftragte und Pressearbeit) zu unterlassen.“

Zum Hintergrund:

Am 14. Januar stand auf der Tagesordnung einer nichtöffentlichen Sitzung des Wurzener Stadtrates die Besetzung der Stelle Fachbereichsleiter Finanzmanagement und Interner Service. Ich habe an dieser Sitzung in meiner Funktion als Gleichstellungsbeauftragte teilgenommen und, da die Beratung nichtöffentlich war, selbstverständlich im Anschluss nicht darüber in den Wurzener-Land-Nachrichten berichtet.

Am 27. Januar fand erneut eine nichtöffentliche Sitzung zum gleichen Thema statt. Beide Male war die Tagesordnung im Ratsinformationssystem veröffentlicht, das Thema der Sitzung war also für jedermann öffentlich sichtbar. Auch diesmal habe ich selbstverständlich nichts über die Inhalte nach außen getragen.

Allerdings hatte sich zwischenzeitlich herausgestellt, dass das Thema für die Öffentlichkeit hohe Relevanz bekommen hatte und auch mit Blick auf die Diskussion des städtischen Haushaltes wichtig geworden war. Ich habe deshalb, unter ausdrücklichem Verweis darauf, dass der Oberbürgermeister über die Ergebnisse der nichtöffentlichen Sitzung in der nächsten Ratssitzung wohl die Öffentlichkeit informieren werde, eine Anfrage an die Fraktionsvorsitzenden geschickt mit der Bitte um eine Stellungnahme zum Thema.

Obwohl ich mich in dieser Anfrage ausschließlich auf zu diesem Zeitpunkt öffentlich zugängliche Informationen bezogen habe und die Anfrage zudem noch ausschließlich an Leute ging, die selbst bei den jeweiligen nichtöffentlichen Sitzungen anwesend waren, denen der Sachverhalt somit ohnehin bereits bekannt war, sind sowohl Stadtrat Schumann als auch die Kommunalaufsicht der Meinung, ich hätte damit meine Verschwiegenheitspflicht verletzt.

Interessant ist die Begründung dieser Ansicht: Laut Kommunalaufsicht sind „die Stadträte an die Verschwiegenheitspflicht aus nichtöffentlichen Sitzungen nach § 37 Abs. 1 Sächs.GemO gebunden, was eine Beantwortung der gestellten Fragen (sofern sie überhaupt gegenüber der Presse bzw. Privatpersonen dazu befugt sind) nicht möglich macht.“

Zudem hätte die Gleichstellungsbeauftragte beim Landkreis Leipzig „die Verschwiegenheit der Gleichstellungsbeauftragten bestätigt und mitgeteilt, dass eine Veröffentlichung der im Rahmen ihrer Tätigkeit erhaltenen Informationen auf einem privaten Internet-Blog – wie hier vorliegend –  nicht erfolgen darf. Auch Fragen im Nachhinein an die Stadträte – insbesondere aus nichtöffentlichen Sitzungen – für eine Veröffentlichung sind nicht zulässig“

Inwieweit von mir „eine Veröffentlichung der im Rahmen meiner Tätigkeit erhaltenen Informationen“ erfolgt sein soll, wird nicht dokumentiert – was auch nicht möglich wäre, da ich so etwas grundsätzlich, entgegen der Behauptung im Text oben, nicht tue. Gerade deshalb habe ich ja die Fraktionsvorsitzenden um eine eigene Stellungnahme im Nachhinein gebeten.

Leider scheint zudem die Mitarbeiterin der Kommunalaufsicht den Gesetzestext nicht vollständig gelesen zu haben, denn laut Sächsischer Gemeindeordnung § 37 Absatz 1 Satz 3 sind „in nichtöffentlicher Sitzung gefasste Beschlüsse in öffentlicher Sitzung bekanntzugeben, sofern nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen“, und in Absatz 2 heißt es dann:

„Die Gemeinderäte und der Bürgermeister sind zur Verschwiegenheit über alle in nichtöffentlicher Sitzung behandelten Angelegenheiten so lange verpflichtet, bis der Gemeinderat im Einvernehmen mit dem Bürgermeister die Verschwiegenheitspflicht aufhebt; dies gilt nicht für Beschlüsse, die nach Absatz 1 Satz 3 bekanntgegeben worden sind.“

Das heißt, nach der Bekanntmachung des in nichtöffentlicher Sitzung gefassten Beschlusses durch den Oberbürgermeister in der darauf folgenden öffentlichen Ratssitzung, auf die ich mich in meiner Anfrage explizit bezogen habe, wären die Stadträte durchaus zu einer Stellungnahme berechtigt gewesen.

Auf welcher Gesetzesgrundlage die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises zu der Einschätzung kommt, dass einer Gleichstellungsbeauftragten angeblich grundsätzlich kein Fragerecht gegenüber Stadträten zusteht, wird nicht verraten und steht zumindest in meiner Einschätzung im Widerspruch zur Pressefreiheit an sich.

Weshalb die Landkreisbehörde eine so schwerwiegende Anschuldigung – immerhin stellt man mit dem Vorwurf der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht die persönliche Integrität der Betroffenen infrage – ungeprüft und ohne die Tatsachen zu hinterfragen übernimmt, kann von mir nicht nachvollzogen werden. Auf mein diesbezügliches Schreiben an die Kommunalaufsicht vom vergangenen Montag hat es bis dato keine Reaktion gegeben.

Mittlerweile habe ich Landrat Henry Graichen darum ersucht, seine Mitarbeiterin aufzufordern, den Sachverhalt erneut zu prüfen und eine genaue Aussage darüber zu treffen, inwiefern ich gegen meine Verschwiegenheitspflicht verstoßen haben soll. Eine Antwort steht noch aus.