Diskussion um Wurzener NSDAP-Oberbürgermeister – Teil 5: Bodenreform im Nationalsozialismus

Diskussion um Wurzener NSDAP-Oberbürgermeister – Teil 5: Bodenreform im Nationalsozialismus

Einen Einblick in die politische Zielsetzung des ehemaligen Wurzener Oberbürgermeisters Dr. Armin Graebert und seine Stellung zur NSDAP geben seine eigenen zahlreichen Beiträge, die er in Form von Zeitungsartikeln und Büchern in die Öffentlichkeit brachte.

So findet sich beispielsweise in der Zeitschrift „Die Heimstätte“ von April 1936 (Quelle: Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung, Signatur: 02 A 0209 ; RF 835) seine Rezension eines Buches namens „Heimstättenrecht“, in der es unter anderem heißt:

„… Der Verfasser will mit seinem Heft die Anwendung der Reichsheimstätte in der Praxis erleichtern. Indem er zeigt, dass das Reichsheimstättengesetz alles bietet, was nationalsozialistische Rechtsauffassung über das Eigentumsrecht am Boden fordert, soll damit ein nützliches Handwerkszeug zur Förderung des „Deutschen Siedlungswerkes“ geliefert werden. … ‚Reichserbhof- wie Reichsheimstättengesetz bekämpfen individualistische Willkür bei Gebrauch, Belastung, Veräußerung und Vererbung des Bodens und wollen den Boden wieder zur Grundlage deutschen, rassebewussten und erbgesunden Volkstums machen. …“

Was genau er mit „nationalsozialistischer Rechtsauffassung über das Eigentumsrecht am Boden“ meint, hat Dr. Graebert in einer Broschüre mit dem Titel „Bodenreform im Nationalsozialismus“, erschienen 1934, dargelegt. Hintergrund ist die Weiterführung, Nutzbarmachung und vor allem Anpassung der Inhalte der eigentlich sozial orientierten Bodenreformbewegung, die sein Schwiegervater Adolf Damaschke mit dem Ziel ins Leben gerufen hatte , den Boden nicht als Spekulationsobjekt und Ware, sondern als Allgemeingut zu behandeln, das jedem zugute kommen könne, an die Ideologie der NSDAP.

In einer dazu im „Völkischen Beobachter“ erschienen Rezension, veröffentlicht in der Zeitschrift Bodenreform 45.1934 (Quelle: Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung, Signatur: 02 A 0209 ; RF 835) heißt es:

„Die Broschüre stellt eine Verteidigungsschrift für das Ideengut der in den vergangenen Jahren stark in den Vordergrund getretenen Bodenreformbewegung dar, wobei der Verfasser bestrebt ist, all die Deckungspunkte mit dem Artikel 17 des Programms der NSDAP, dem 3. Abschnitt des nationalsozialistischen Agrarprogramms und den hierzu maßgebenden Interpretationen aus der Feder des Führers, Gottfried Feders und anderer zuständiger Parteiexponenten herauszuschälen. Allerdings darf – worauf der Verfasser da und dort leise abzielt – hieraus keineswegs der Schluss gezogen werden, dass nun der Nationalsozialismus lediglich der Verfechter des geistigen Erbes der Bodenreformbewegung wäre …“

Die Broschüre selbst umfasst 23 Seiten und findet sich im Bestand der Deutschen Nationalbibliothek unter der Signatur L:1936 A 256. Auf dem Deckblatt ist ein Aufkleber „Geh.“, was bedeutet, dass das Werk zu DDR-Zeiten zu den nicht frei zugänglichen Büchern zählte. Im Inhalt findet sich wieder, was in der obigen Rezension angedeutet wird: Die Ideen von Damaschke werden zwar als Grundlage verwendet, immer wieder aber entsprechend der Lesart und Zielsetzung der NSDAP verändert. Dies zeigt sich z. B. in den Erläuterungen zum Programm der NSDAP auf Seite 5:

Während Damaschke in seinen Forderungen von einer im Sinne der gerechten Verteilung notwendigen Enteignung von Boden „gegen angemessene Entschädigung“ spricht, ist das Ziel der NSDAP, „auf unrechtmäßige Weise erworbenen“ oder „nicht nach den Gesichtspunkten des Volkswohls verwalteten“ Boden unentgeltlich zu enteignen, Graebert nennt auch deutlich, was bzw. wer damit gemeint ist, nämlich die „jüdischen Grundstücksspekulations-Gesellschaften“.

Und während Damaschke vor allem den sozialen und volkswirtschaftlichen Hintergrund einer gerechten Bodenreform sieht, stehen laut Dr. Graebert für die NSDAP „nationalpolitische Ziele“ im Sinne von „Blut und Boden“ im Vordergrund: „Die Bodenreform will einen neuen Menschentypus schaffen, der stark ist und bleibt, weil er in Erde wurzelt. … Die Siedlung trägt dazu bei, die Erbmasse unseres Volkes gesund zu erhalten und die Grenzen unseres Landes zu schützen.“ Es gelte, „…mit allen Mitteln, die dem Staat zur Verfügung stehen, deutsche Menschen im Osten festzuhalten und hinzuziehen, die um der eigenen Scholle willen Entbehrungen tragen wollen und bereit sind, die Scholle mit ihrem Blute zu verteidigen.“

Gleichfalls in der Deutschen Nationalbibliothek finden sich weitere Werke von Dr. Graebert, die er während seiner Zeit als Wurzener Oberbürgermeister im Rahmen seiner Parteiämter verfasst hat mit der Intention, sein Wissen an seine Amtskollegen in den Städten und Gemeinden weiterzugeben, um die bestmögliche Umsetzung der von der NSDAP erlassenen Gesetze und Verordnungen zu ermöglichen.

So beispielsweise die Broschüre „Steuergutscheine, Ratgeber für Gemeindeverwaltungen“, erschienen 1939. Darin werden detaillierte Handlungsanleitungen zur Umsetzung des Neuen Finanzplans von 1939 gegeben. Die Steuergutscheine waren ein wichtiges Instrument der NSDAP zur Kapitalgewinnung.

Ein 1941 erschienenes Buch befasst sich mit dem „Recht der Reichsheimstätte“, auch darin finden sich detaillierte Angaben zur juristischen und kommunalpolitischen Umsetzung entsprechender Gesetzesregelungen.

Im Vorwort des 1944 erschienenen Titels „Die Wohnraumlenkung unter besonderer Berücksichtigung des Gaues Sachsen“ (Quelle: Deutsche Nationalbibliothek, Signatur L:SA 8176-25) bezieht er sich explizit auf die Verbindung zwischen seinem Amt als Leiter einer Stadtverwaltung und seiner Tätigkeit im Amt für Kommunalpolitik bei der Gauleitung Sachsen der NSDAP. 

Indem er beschreibt, welche hohen Kompetenzen den Kommunen als unterster Ebene des Vollzugs der von der Parteispitze erlassenen Gesetze und Verordnungen zukommen, wird am Beispiel der Vorgaben zur Vergabe „frei werdender“ Wohnungen an „Bedürftige“ und „Begünstigte“ deutlich, welche Macht und welche Möglichkeiten die Parteifunktionäre hatten, die an der Spitze der Gemeindeverwaltungen standen, und dass der Vollzug der von oben erlassenen Vorschriften, auch in Bezug z. B. auf die Umsiedlung der jüdischen Bevölkerung, letztendlich auch auf dieser, nämlich der kommunalen Ebene erfolgte.

Siehe auch:

Diskussion um Wurzener NSDAP-Oberbürgermeister

Teil 2: Karriere in der Gauhauptstadt Weimar

Teil 3: Weimar und das K-Lager Buchenwald

Teil 4: Wer wusste was in Weimar über das KZ Buchenwald?