Kreativwirtschaft als Samenkorn

Kreativwirtschaft als Samenkorn

Leer stehende Läden und Gewerbeimmobilien – dass Wurzen in Bezug auf die Belebung der Innenstadt wie viele andere Städte vor immensen Herausforderungen steht, ist seit längerem bekannt. Wie Oberbürgermeister Jörg Röglin zu Beginn des Stadtgesprächs am heutigen Abend in Erinnerung rief, hat es mit Stadtmarketing und Quartiersmanagement in den letzten Jahren schon Bemühungen gegeben, die Potenziale, die es hier gibt, stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.

Derzeit arbeiten die Citymanager, die zum Wurzener Stadtgespräch eingeladen haben, an Lösungsansätzen, die vor allem auf die Nähe zur Stadt Leipzig und die dort ansässige Kreativszene setzen, die, so Jörg Röglin, ein wichtiges Samenkorn sein kann, aus dem langfristig konkrete Projekte zur Stadtentwicklung wachsen können.

Was Kreativwirtschaft für eine Stadt bringen kann, erläuterte Katja Großer vom Sächsischen Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft. Erfahrungen aus anderen Kommunen hätten gezeigt, dass Unternehmen aus diesem Wirtschaftsbereich großes Potenzial in sich bergen. Künstler oder Kunsthandwerker beispielsweise, die aus den Großstädten aufs Land oder in die Kleinstädte ziehen, sorgen nicht nur mindestens für ihren eigenen Arbeitsplatz, sondern oftmals auch für den Erhalt der von ihnen genutzten Immobilien und schaffen in ihrem Umfeld Nachfrage für örtliche Handwerksbetriebe. Oftmals tragen sie zudem  erheblich zur Verbesserung der Außenwirkung ihrer neuen Heimat bei und können als Kreative auch örtliche Gewerbetreibende unterstützen.

Jüngstes Wurzener Beispiel ist die Eröffnung des Kreativladens in der Wenceslaigasse, der vom Schweizerhaus Püchau e. V. betrieben wird. Der Verein unterstützt Kunst-, Theater und Kulturprojekte verschiedenster Art und arbeitet eng mit Schulen  und Jugendeinrichtungen zusammen. Wie Martina Jacobi berichtete, ist der „Laden“ bereits jetzt nach kurzer Zeit aber auch schon zu einer Anlaufstelle für Wurzener und Gäste der Stadt geworden, die auch mal nur zum Reden oder Fragen stellen hereinschauen. Vielleicht hat der „Laden“ bereits eine Trendwende in der Wenceslaigasse eingeleitet, zumindest werden in der nächsten Zeit zwei weitere Mieter in die Nachbargebäude einziehen.

Wichtiger Partner für künftige Entwicklungen ist Thomas Kolb von der Arkade Projekt GmbH, die Eigentümerin der Gebäude der Leuchten-Manufaktur ist und diese als Kreativquartier „Manufakturhöfe Wurzen“ entwickeln will. Mithilfe der Stadtverwaltung gibt es mittlerweile für das Vorhaben auch Unterstützung durch ein Bundesforschungsprojekt. Derzeitige Anstrengungen richten sich zunächst darauf, die Produktion der Leuchtenmanufaktur, die derzeit noch im gesamten Komplex verstreut arbeitet, zu konzentrieren, danach sollen die frei gewordenen Räume für kreatives Gewerbe zur Verfügung gestellt werden – zu vernünftigen Preisen, die in Leipzig derzeit nicht mehr angeboten werden.

„Schaufenster-Shopping“ ist ein weiteres Projekt, das Ideenmeisterin Kathrin Hussock bereits vor einigen Jahren als Beitrag zum Städtewettbewerb „Ab in die Mitte“ ins Gespräch brachte und das bisher noch auf Eis liegt. Dabei sollen die Schaufenster leer stehender Geschäftsräume als Ausstellungs- und Präsentationsräume sowohl für Wurzener Händler als auch beispielsweise für Handwerksbetriebe oder Manufakturen außerhalb der Stadt für den Online-Handel nutzbar gemacht werden.

Dem Leerstandsproblem im Wohnungsbereich, vor allem in Bezug auf unsanierte Altbauten, will man, so Roman Grabolle vom Citymanagement, mit alternativen Wohnformen begegnen, hier würden Kontakte zu Interessenten vor allem in Leipzig geknüpft, wo es regelmäßig Vorstellungsrunden und Angebote zu Wurzener Immobilien gebe. Ein Beispiel ist das Kanthaus, wo sich bereits junge Leute niedergelassen haben, die nicht nur die alte Bausubstanz mit neuem Leben erfüllen, sondern auch mit ihrem Projekt einer nachhaltigen Lebensweise, wie Food-Sharing oder Teilen und Reparieren statt Wegwerfen, frischen Wind in die Stadtgesellschaft bringen.

Erste Kontakte unter den bisher schon in Wurzen Agierenden und sogar auch Lösungsansätze für aktuelle Probleme gab es in der anschließenden Gesprächsrunde, bei der aber auch deutlich wurde, dass die meisten Teilnehmer eben nicht „Wurzener Normalbürger“ waren, sondern hauptsächlich Leute, die in irgendeiner Weise bereits mit dem Thema zu tun haben oder selbst aus der Branche kommen. Laut Katja Großer ist das jedoch nicht verwunderlich: Nach ihrer Erfahrung sind es auch in anderen Städten jedes Mal Leute von außen, die mit frischen Ideen für einen Neustart sorgen und das sprichwörtliche Samenkorn in die Erde bringen. Ein Grund mehr für die Wurzener, Neuankömmlinge mit offenen Armen zu empfangen und eben auch offen für ungewöhnliche Ideen zu sein.