Angebliches Sexualdelikt in Wurzen – Staatsanwaltschaft und Pressefreiheit

Angebliches Sexualdelikt in Wurzen – Staatsanwaltschaft und Pressefreiheit

Einigermaßen fragwürdig erscheint das Gebaren, das die Staatsanwaltschaft Leipzig im Umgang mit Presseanfragen an den Tag legt. Zumindest in Bezug auf eine Anfrage unserer Redaktion zu dem angeblich in Wurzen vor einigen Tagen stattgefundenen Sexualdelikt.

Ein junger Mann, Flüchtling, ist verhaftet worden und sitzt seit einer Woche in Untersuchungshaft. Die landläufige Meinung: Ohne triftige Gründe wird niemand in U-Haft genommen, also müssen stichhaltige Beweise vorliegen, dass tatsächlich eine Sexualstraftat begangen wurde.

Beim Vorwurf einer Sexualstraftat ist dies jedoch nicht unbedingt der Fall. Der auf Sexualstrafrecht spezialisierte Hamburger Rechtsanwalt Dr. Böttner schreibt dazu auf seiner Internetseite:

Für die Anordnung der Untersuchungshaft muss neben der hohen Wahrscheinlichkeit der Täterschaft oder Teilnahme an einer Straftat auch immer ein Haftgrund vorliegen. Meist ist es die Flucht- oder Verdunkelungsgefahr. Bei Sexualstraftaten sieht der Gesetzgeber jedoch eine generelle Gefahr für die Allgemeinheit und so kann bei schweren Sexualstraftaten bereits der dringende Tatverdacht für die Anordnung der Untersuchungshaft ausreichen.

Vor diesem Hintergrund erschien es uns im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung wichtig, zu unterscheiden, ob die Verhaftung auf der Grundlage einer nachweisbaren Spuren- oder Beweislage erfolgte, oder lediglich aufgrund einer entsprechenden verbalen Anschuldigung.

Wir haben daher am Mittwoch, 15. August 2018, per Mail folgende Presseanfrage an die Staatsanwaltschaft Leipzig, Pressesprecher Ricardo Schulz geschickt:

Gibt es belastbare Beweise oder wenigstens Indizien dafür, dass überhaupt eine Straftat, erst recht ein Sexualdelikt, begangen wurde? Gibt es insbesondere Spuren oder Verletzungen am mutmaßlichen Opfer oder andere Dinge, die als Grundlage für eine solche Vermutung dienen können?

Nachdem bis Donnerstagabend keine Antwort bei uns eingegangen war, wurde dieselbe Frage, diesmal mit Anforderung einer Empfangsbestätigung, am 16. August erneut abgeschickt. Die Empfangsbestätigung erfolgte auch prompt, auf die Antwort mussten wir dennoch bis Freitag warten, dann meldete sich Staatsanwältin Jana Friedrich, allerdings nicht mit einer Antwort auf unsere Anfrage, sondern mit dem Hinweis:

„Der guten Ordnung halber würde ich Sie bitten, mir vorab noch Ihre Berechtigung im Sinne von § 4 SächsPresseG nachzuweisen. Danach sind Vertreter von Presse und Rundfunk grundsätzlich auskunftsberechtigt, sofern sich diese auch als solche ausweisen. Letzteres kann in ständiger Praxis insbesondere durch Vorlage eines aktuellen Presseausweises (gern auch eingescannt per Mail), aber auch in sonst geeigneter Form erfolgen.“

Der „guten Ordnung“ wurde von unserer Seite aus postwendend Genüge getan, obwohl die entsprechenden Angaben zu unserem Nachrichtenportal selbstverständlich bereits in den Anfragen angegeben worden waren, eine Antwort darauf wie auch auf die Anfrage zum angeblichen Sexualdelikt ist dennoch bis dato bei uns nicht eingegangen.

Für uns stellt sich die Frage, wie man seriösen Journalismus betreiben soll, wenn man bei Anfragen an eine Behörde tagelang auf Antworten warten muss, auch oder gerade weil darin nicht die Verlautbarungen der Behörde unkritisch wiedergegeben, sondern kritisch hinterfragt werden.