Auf einem Skateboard fuhr am vergangenen Samstag ein junger Mann durch die Ortschaft Mark Schönstädt und verteilte ganz nebenbei einen Aufruf zu einer AfD-Kundgebung für Sonntag. „Asylflut in Mark Schönstädt stoppen!“ wird vom AfD-Landtagsabgeordneten Jörg Dornau auf dem Flyer gefordert. Man könnte denken, er hat bei der NPD abgeschrieben.
Der Ort am Fuße des Dornreichenbacher Berges wird seit Tagen in Unruhe versetzt, so auch an diesem verregneten Samstagabend. Nebel zieht auf. Es kursieren auffällig viele Autos durch den Ort und Mark Schönstädt wird unter einer Dunstglocke verschlungen.
Einige Einwohnerinnen und Einwohner reagieren sofort auf den Zettel. Auf einem Bettlaken schrieb ein Mark Schönstädter seine Meinung: „Kein Asyl für AfD! AfD raus!“. Das Transparent wurde noch am Abend von Unbekannten entfernt. Davon ließ sich der Mark Schönstädter nicht abhalten und erneuerte das Transparent.
Geflüchtete sind zwei Tage zuvor in die ehemaligen Steinarbeiterwohnungen eingezogen und die Einwohnerinnen und Einwohner der Ortschaft machen sich Gedanken, wie für die Neuankömmlinge die Grundversorgung garantiert werden kann. Für Mark Schönstädt gibt es kein flächendeckendes und zukunftsweisendes Verkehrsangebot, und hier wird man vermutlich noch sehr lange auf ein verbessertes Busangebot und auf die Bahn warten.
Die Projekte „Muldental in Fahrt“ und „Wurzener Land in Fahrt“ haben vor dem Ort Halt gemacht. Der S-Bahn Haltepunkt Dornreichenbach, der in Mark Schönstädt liegt, ist auch noch nicht aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst worden. Und einen Rufbus zum vier Kilometer entfernten Bahnhof Kühren gibt es ebenfalls nicht. Die nächste medizinische Versorgung und die nächsten Einkaufsmöglichkeiten sind zwischen 7 und 15 km entfernt.
Dies alles sollte bereits vor der Ankunft der Geflüchteten in einer Einwohnerversammlung mit den Verantwortlichen des Landkreises Leipzig und der Gemeinde Lossatal besprochen werden. Die Versammlung wurde jedoch seitens des Landkreises auf den 2. Februar verschoben, da die Behörde erst dann konkretere Aussagen zu den Hintergründen und möglichen Bedarfslagen machen kann, heißt es in der gemeinsamen Einladung von Landrat Henry Graichen und Bürgermeister Uwe Weigelt. Dass dieser nicht rechtzeitig mit der Bürgerschaft kommuniziert hat und dass die Verbesserung der Lebensqualität im Ort schon längst überfällig ist, wird von den Mark Schönstädtern kritisiert.
Doch trotz all dieser Kritikpunkte – in Mark Schönstädt bedeutet Dorfgemeinschaft auch Solidarität. Während der Kundgebung der AfD am Sonntag stellten sich Dorfbewohner schützend vor das Wohnhaus der Geflüchteten, um zu zeigen, dass die Auffassung der AfD zu Flucht und Migration nicht mehrheitsfähig ist. Kreisrat Jens Kretzschmar (Die Linke) meldete die stille Aktion der Dorfbewohner offiziell an.
Während die AfD versuchte, mit ihrer Kundgebung erneut Stimmung gegen Geflüchtete zu machen, und der Initiator Jörg Dornau von der „Flutung von Mark Schönstädt mit illegalen Migranten“ sprach, hat sich inzwischen bereits ein Netzwerk aus der Nachbarschaft gegründet, welches sich um die Integration der Geflüchteten bemüht.
Gast-Autor: Gernot Kern