Über zwei Jahre dauerte der Kampf um den Erhalt der Lindenallee in der Eduard-Schulze-Straße – und eine ganze Zeit lang sah es so aus, als gebe es noch Hoffnung für die alten Bäume:
Im Dezember 2021 hatte der damals amtierende Oberbürgermeister Jörg Röglin nach Bürgerprotesten die im Zuge der Baumaßnahme an der S11 geplante Fällung gestoppt, ausdrücklich auch deshalb, um seinem Amtsnachfolger die Möglichkeit zu lassen, die Sachlage nochmals zu prüfen und gegebenenfalls neue Lösungen zu finden.
Auf Antrag der Stadtratsfraktionen Die Linke und Bürger für Wurzen kam das Thema am 13.09.2022 auf die Tagesordnung. Nach ausführlicher Diskussion wurde die Stadtverwaltung per Beschluss beauftragt, „… beim Ausbau der S11 Alternativen zur Fällung von 80 Straßenbäumen anzuwenden. Die Bäume sind demnach vorrangig am Standort zu erhalten, sollte dies in Einzelfällen nicht möglich sein, so sind Ersatzpflanzungen am Standort umgehend zu planen. …“
Drei Monate später, im Januar 2023, wurde durch Dr.-Ing. Ditmar Hunger eine Stellungnahme mit konkreten Vorschlägen, wie die Bäume trotz Straßenbau erhalten werden könnten, an Oberbürgermeister Marcel Buchta geschickt. Herr Dr. Hunger ist Vorsitzender des Alleenforums Sachsen e. V. und setzt sich als anerkannter Experte ehrenamtlich, andernorts bereits mit Erfolg, für den Erhalt von Straßenbäumen ein. In seinem Schreiben an OBM Buchta vom 06.01.2023 bietet er ausdrücklich eine Diskussion seiner Vorschläge mit Verwaltung und Stadträten an.
Wie ernst es Stadträten und Verwaltung mit der Umsetzung der Beschlussfassung vom September 2022 war, zeigte sich allerdings im Nachgang: Trotz des Vorliegens von Alternativen zur Fällung der Bäume kam das Thema nicht erneut auf die Tagesordnung, Herr Dr. Hunger wurde weder zu einer Diskussion seiner Vorschläge eingeladen noch fanden diese Eingang ins Verwaltungshandeln.
Dass dies kein Zufall ist, zeigte sich im Rahmen einer Sitzung des technischen Ausschusses im November, hier ging es um den Erhalt der ebenfalls zur Fällung vorgesehenen Bäume in der Hirschbergstraße. Auch hier hatte die Stadtverwaltung im Rahmen der Bauplanung angegeben, dass die Bäume nicht erhalten werden könnten, Herr Dr. Hunger hingegen ging in seiner Stellungnahme vom 28.11.2023 davon aus, dass ein Großteil der Bäume erhalten werden kann. Gleiches äußerte damals der durch die Stadt beauftragte Baumsachverständige Sven Reuter aus Delitzsch.
Im Rahmen der Diskussion wurde deutlich, dass die eigentlich in der städtischen Baumschutzsatzung vorgesehene Einzel- und Variantenprüfung offenbar nicht stattgefunden hat, zumindest wurden, wie auch bei den Bäumen in der Eduard-Schulze-Straße, Dokumente dazu von der Verwaltung nicht vorgelegt. Stattdessen wurde behauptet, dass die Ausführungen von Herrn Dr. Hunger zumindest in Teilen nicht den Tatsachen entsprächen.
Auf explizite Frage aus dem Publikum, weshalb der Sachverständige dann nicht eingeladen werde, um diese Unstimmigkeiten zu klären, erklärte OBM Buchta, dass doch nicht einfach irgendwer hier Vorschläge machen könne und man ja nun mit Herrn Reuter einen eigenen Sachverständigen beauftragt habe.
Eine sachliche und konstruktive Auseinandersetzung mit den Vorschlägen von Alleenforum und Initiative Bäume und Stadtgrün Wurzen hat jedoch trotz der positiven Einschätzung auch dieses Experten im Nachgang der Sitzung nicht mehr stattgefunden. Mitte Januar wurden sämtliche Linden in der Eduard-Schulze-Straße gefällt, kurze Zeit später auch die Bäume in der Hirschbergstraße.
Wie es mit den Wurzener Straßenbäumen weitergeht, wollen die Leute von der Bürgerinitiative Bäume und Stadtgrün in Wurzen nicht mehr allein den bisherigen Entscheidern überlassen. Für Montag, den 25. März 2024, laden sie gemeinsam mit dem Alleenforum Sachsen e. V. zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung sowie Podiumsdiskussion mit Stadtratsfraktionen ein.
Geladen sind interessierte Bürgerinnen und Bürger, Stadträtinnen und Stadträte, Kandidatinnen und Kandidaten zur Kommunalwahl 2024 sowie Oberbürgermeister und Stadtverwaltung.
Die Einführung zum Thema „Stadtgrün und Straßenraumgestaltung pro Lebensqualität und Klimaschutz“ erfolgt durch Dr.-Ing. Ditmar Hunger, mit von der Partie ist die MDR-Wetter- und Klimaexpertin Michaela Koschak. Die Veranstaltung beginnt am 25.03.2024 um 18:00 Uhr im Mittagsgericht, Friedrich-Ebert-Straße 2a.