In Wurzen sollen 80 Linden sterben

In Wurzen sollen 80 Linden sterben

Die Linden in der Eduard-Schulze-Straße müssen im Zuge der Straßenbaumaßnahme an der S11 gefällt werden – zumindest nach Meinung der Verantwortlichen in der Wurzener Stadverwaltung.

Zweifel daran sind unter anderem darin begründet, dass die Planung des Bauvorhabens schon mehr als zehn Jahre zurückliegt und sich seither die Rahmenbedingungen erheblich verändert haben. So ist beispielsweise der Lkw-Verkehr auf der S11 durch den Gleisanschluss der Wasserglasfabrik in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.

Seit einiger Zeit machen sich daher engagierte Bürgerinnen und Bürger für den Erhalt der Straßenbäume stark. Einer von ihnen ist Dr.-Ing. Ditmar Hunger vom Alleenforum Sachsen. Bereits im Januar 2023 hat er der Wurzener Stadtspitze eine umfangreiche Stellungnahme mit konkreten Vorschlägen unterbreitet, wie die Lindenallee trotz Straßenbau erhalten werden könnte.

Eingang ins Verwaltungshandeln haben die Vorschläge bislang nicht gefunden – obwohl der Wurzener Stadtrat im September 2022 per Beschluss die Verwaltung beauftragt hatte, Alternativen zur Fällung der Bäume zu prüfen.

Nachdem gestern bekannt wurde, dass die Fällung der Bäume in der kommenden Woche erfolgen soll, hat uns heute die folgende Presseerklärung des Alleenforum Sachsen e. V. erreicht:

Presseerklärung des Alleenforums Sachsen e. V. zur Komplettfällung vitaler Alleebäume in Wurzen entlang der Staatstraße 11, Abschnitt Eduard-Schulze-Straße und Oelschützer Straße

Etwa 80 vitale Bäume – eine 100-jährige Lindenallee, eine große Esche mit längerer Lebenserwartung und andere Bäume, Sträucher und Hecken, sollen – weil „planfestgestellt“ – gefällt werden.

Dabei behindern die Bäume nicht den Straßenbau, zumal die Straße um 2 m verschmälert wird. Besonders kritikwürdig ist, dass an der Straße keine neuen Bäume gepflanzt werden, sondern anderenorts „ausgeglichen“ wird. Das Kulturgut gründerzeitliche Allee geht für immer verloren!

Bautechnische Fällgründe liegen nicht vor, sodass von vorsorglichen, das Bauen erleichternden Fällungen gesprochen werden kann, bei denen sich die Stadt Wurzen und das LASuV, Landesamt für Straßenbau und Verkehr als Verantwortliche einig waren. Aber das war vor mehr als 10 Jahren, als die Klimaveränderung mit extremen Hitzesommern noch nicht so akut war.

Das Fällen kostet ca. 100.000 €, wobei die „Ersatzpflanzungen“ in ähnlichem Umfang hinzukommen.

Erst zu einem späten Zeitpunkt regte sich Widerstand gegen die überalterte Planung, wobei die Initiative Stadtgrün des Alleenforums Sachsen e. V. aktiv wurde. Zum Bürgerengagement beiträgt ein Bewusstseinswandel infolge der zunehmend stärkeren negativen Folgen der Klimaveränderung auf das Wohnumfeld (Hitzestress etc.) und insgesamt auf die Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Stadt.

Gleiches wird von Politik und Behörden erwartet. Aus Klimaschutzsicht überholte Planungen müssen auf den Prüfstand und modifiziert werden!

Basis dafür ist eine gutachterliche Stellungnahme (v. 02.01.23) mit Vorschlägen für eine stadt- und umweltgerechtere Straßengestaltung, bei der durch den Alleeerhalt eine Verschlechterung der Wohnumfeldbedingungen durch einen vollversiegelten, schattenlosen Straßenraum vermieden wird.

Während das LASuV wenigstens antwortete, aber, weil „planfestgestellt“ keinerlei Plananpassungen zustimmte, gab es keine Antwort von der Stadt Wurzen. So wird das Klima eben verschlechtert.

Die Analyse der Planunterlagen ergab, dass neben der nicht anforderungsgerechten Behandlung der Baumthematik und Missachtung der Klimaverschlechterung, diverse verkehrs- und stadtgestalterische Aspekte sich als kritikwürdig herausstellten.

So wurde der geringer gewordene Lkw- und der gewachsene Radverkehr ebenso wenig  berücksichtigt, wie der notwendige Paradigmenwechsel beim Umgang mit Regenwasser (Versickern anstatt kanalisiert ableiten) etc. Zudem wurde auf die Flüssigkeit des Kfz-Verkehrs zu Lasten des ÖPNV orientiert. Insgesamt wurde teilweise zu breit dimensioniert. Damit wurde auch die „Ausbau- und Erhaltungsstrategie Staatsstraßen 2030“ missachtet, dergemäß der bedarfsgerechte Erhalt und das Sparsamkeitsprinzip vornan stehen.

Das Fällen des Alleebaumbestands ist nicht nachvollziehbar und abzulehnen. Neben den ökologischen Verlusten der stattlichen 80 Alleebäume bzw. deren Rolle als Klimaanlage mit einer überschirmenden Kronenfläche von rund 4.000 qm (Frischluftproduktion, Temperaturreduktion etc.) kommt unter städtebaulichen Aspekten entscheidend hinzu, dass der Alleebestand ein historisch wertvolles Kulturgut der Gründerzeit ist, dass für immer verloren gehen soll.

Andere Städte verfahren seit Jahren anders. Da werden gründerzeitliche Alleen bei Straßenbau erhalten und es wird nachgepflanzt.

aufgestellt: Dr.-Ing. Ditmar Hunger