Neues Forum für Wurzen scheitert mit Misstrauensantrag

Neues Forum für Wurzen scheitert mit Misstrauensantrag

Gleich vorweg: Dieser Text ist sehr persönlich. Hin und wieder muss es Journalisten auch erlaubt sein, in der Ich-Form zu berichten, insbesondere dann, wenn mit Bezug auf ihre Arbeit öffentlich ihre persönliche Integrität infrage gestellt wird – so geschehen am vergangenen Montag in der Sitzung des Verwaltungsausschusses des Wurzener Stadtrates.

Auf der Tagesordnung stand der von Christoph Mike Dietel unterzeichnete Antrag der Fraktion Neues Forum für Wurzen: Ausschluss der Gleichstellungsbeauftragten Frau Mathiebe von nicht-öffentlichen Sitzungen. In der Begründung, die der anwesende Vertreter des NFW, Lars Vogel, wortwörtlich noch einmal vortrug, heißt es:

„Frau Mathiebe ist als Gleichstellungsbeauftragte zu allen Rats – und Ausschußtagungen geladen. Sie ist aber nicht nur Gleichstellungsbeauftragte sondern Betreiberin einer unverkennbar auf Gewinnerzielung ausgerichteten Internetzeitung, der WURZENER LAND NACHRICHTEN.

Deren Impressum enthält eine Umsatzsteuer – Identifikationsnummer, die zu erkennen gibt, daß Frau Mathiebe mit diesem Unternehmen am Waren und Dienstleistungsverkehr teilnimmt.

Sie möchte Wissen als Nachricht verkaufen wie jedes andere Unternehmen der Branche Presse und Rundfunk auch. Sie muß daher auch wie diese behandelt werden. Das heißt konkret: wird von einer Beratung die Öffentlichkeit – mithin die Presse – ausgeschlossen, verläßt Frau Mathiebe den Saal. Nichts ist selbstverständlicher als das.“

Den aus dieser Formulierung unschwer abzuleitenden Schluss, ich würde mein Wissen aus den nichtöffentlichen Sitzungen mit Gewinnerzielungsabsicht für meine journalistische Tätigkeit benutzen, wollte Herr Vogel öffentlich lieber doch nicht ziehen. Auf direkte Frage, ob damit unterstellt werde, dass ich vertrauliche Informationen aus nichtöffentlichen Sitzungen als Nachrichten verkaufen würde (was strafrechtlich relevant wäre), beteuerte er, dies würde keinesfalls unterstellt. Das Ganze sei auch überhaupt nicht persönlich gemeint, man wolle lediglich vorbeugend einen Präzedenzfall schaffen, denn immerhin könnte dies ja in der Zukunft durchaus möglich sein.

Auf welche sachliche Grundlage Herr Vogel diese Behauptung stützt, ließ er unklar, immerhin würde das ja bedeuten, dass er mir, obwohl ich zu Beginn meiner Amtszeit als Gleichstellungsbeauftragte zur Verschwiegenheit über alle geheim zu haltenden Angelegenheiten verpflichtet wurde, durchaus zutrauen würde, in der Zukunft Geheimnisverrat zu begehen, was erhebliche Zweifel an meiner persönlichen Integrität zum Ausdruck bringt.

Um den rechtlichen Hintergrund zu beleuchten: Es gibt keine gesetzliche Regelung, die es Journalisten untersagt, sich für ein Ehrenamt als Gleichstellungsbeauftragte oder Kommunalpolitiker zu bewerben und gewählt zu werden. Das bedeutet, dass aus juristischer Sicht auch Journalisten uneingeschränkt alle Kompetenzen und Rechte wahrnehmen können müssen, die sich aus einem solchen Ehrenamt ergeben. Zudem ist das Amt der Gleichstellungsbeauftragten eine Pflichtaufgabe der Kommune und die Rahmenbedingungen dieses Amtes inkl. der daraus erwachsenden Rechte und Pflichten, auch in Bezug auf die Teilnahme an Ratssitzungen, sind in der sächsischen Gemeindeordnung festgelegt, also Landesrecht.

Würde der Stadtrat einen Beschluss fassen, der gegen geltendes Landesrecht verstößt, so die Auskunft von Oberbürgermeister Jörg Röglin auf entsprechende Anfrage, so würde er diesem wohl widersprechen müssen, ggf. würde dazu eine Stellungnahme der Rechtsaufsicht eingeholt.

Dass offenbar die Initiatoren des Beschlussantrages ohne jeden Beweis von Verfehlungen meinerseits ihr Ansinnen lediglich auf meine Möglichkeit künftiger Öffentlichkeitsarbeit im Internet stützen, sorgte bei vielen Anwesenden für Kopfschütteln: Thomas Lange, der als berufener Bürger für die Bürger für Wurzen im Ausschuss sitzt, fand dies geradezu absurd vor dem Hintergrund, dass heutzutage so gut wie jeder die Möglichkeit hat, über einen Facebook-Account im Internet Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Auf diese Art dürfe praktisch so gut wie niemand mehr an nichtöffentlichen Sitzungen teilnehmen.

Katja Zschernack, berufene Bürgerin für die SPD, argumentierte, dass die Tätigkeit als Journalistin letztlich für die Teilnahme an nichtöffentlichen Sitzungen überhaupt keine Rolle spiele, sondern das entsprechende Wahlamt den Ausschlag gebe, zumal im Rahmen dessen ohnehin alle zur Geheimhaltung verpflichtet seien.

Stadtrat Jens Kretzschmar (Die Linke) fragte an, ob es Beweise dafür gebe, dass ich jemals vertrauliche Informationen weitergegeben habe, was der Oberbürgermeister verneinte. Stadtrat Heinz Richerdt (SPD) erklärte, dass es auch laut Hauptsatzung der Stadt keine Einschränkungen für die Bewerbung um ein Wahlamt als Gleichstellungsbeauftragte gebe, lediglich Mitarbeiter der Stadtverwaltung seien ausgeschlossen.

CDU-Fraktionschef Kay Ritter, der zugleich auch Landtagsabgeordneter seiner Partei ist, erklärte, er habe im Rahmen der Sozialausschusssitzung des Landtages nochmals nachgefragt, wie die Rechtslage sei und müsse feststellen, dass es keine rechtliche Grundlage für so einen Beschluss gebe: „… wir kommen da nicht ran.“ Stattdessen wolle man sich jetzt darauf konzentrieren, durch eine Änderung der Wurzener Hauptsatzung Abhilfe zu schaffen, etwa durch die Begrenzung der Amtszeit der Beauftragten auf vier oder auch zwei Jahre.

Daraufhin erklärte Lars Vogel, seiner Fraktion sei diese Rechtslage so nicht bekannt gewesen, der im Vorfeld dazu befragte städtische Jurist habe sich da wohl etwas schwammig ausgedrückt. Er ziehe den Beschlussvorschlag daher zurück.

Wieder mal viel Lärm um Nichts, könnte man sagen, zumal, wie der Oberbürgermeister zu Beginn der Sitzung verkündet hatte, das NFW auch zwei weitere Beschlussanträge, die im nichtöffentlichen Teil hätten behandelt werden sollen, kurz zuvor zurückgezogen hatte: den Antrag auf sofortige Beendigung des Rechtsstreits mit dem Regionalverband der Kleingärtner e. V. und den gemeinsamen Antrag mit der AfD zum Mandatsentzug Rechtsanwältin Seyfarth.

Schade um die Zeit, die Verwaltung und Ausschussmitglieder aufwenden mussten, um sich mit diesen Dingen im Vorfeld der Sitzung auseinanderzusetzen. Liebes Neues Forum für Wurzen: Bevor ihr das nächste Mal versucht, Leute, die euch nicht gefallen, öffentlich zu diffamieren, kehrt mal vor eurer eigenen Haustür und legt eure Wahlkampffinanzen offen!