Linken-Stadtrat fordert mehr Mut bei Entscheidungen

Linken-Stadtrat fordert mehr Mut bei Entscheidungen

„Heute ist der Tag, an dem wir mit den Konsequenzen von damals leben müssen.“

Gleich auf zwei Entscheidungen bezog sich das Statement von Stadtrat Jens Kretzschmar (Die Linke) in der Ratssitzung  am vergangenen Dienstag: Zum einen auf das Sportstätten-Entwicklungskonzept der Stadt Wurzen, in welchem Defizite vor allem im Bereich der Sporthallen und der Leichtathletikanlagen für den Schulsport deutlich wurden. Zum anderen auf die zusätzlichen Kosten von 175.000 Euro, die für die Sanierung der Grundschule an der Sternwarte anfallen, womit sich die Sanierungskosten auf nunmehr insgesamt rund 1,3 Millionen Euro erhöhen.

Zuvor hatte bereits Oberbürgermeister Jörg Röglin in Bezug auf die Sportstätten seine Enttäuschung darüber geäußert, dass u. a. die Chance, im Zuge der Planungen am Wasserturm durch den Investor des dort geplanten Lebensmittelmarktes eine nagelneue Leichtathletikanlage an der Sternwarte-Grundschule ohne Kosten für die Stadt errichten zu lassen, nicht genutzt wurde. Die Anlage sollte modernen Standards entsprechen und sowohl von der Grundschule, wie auch von der nahe gelegenen Pestalozzi-Oberschule genutzt werden. Gescheitert ist das Projekt letztlich am Einspruch beider Schulen, die sich nicht über eine gemeinsame Nutzung einigen konnten.

Die Milch von damals wolle er trotzdem gerne noch mal vergießen, so Jens Kretzschmar, und einen Blick zurück auf den wirklich langen Entscheidungsprozess vor drei Jahren riskieren, „um vielleicht künftig mehr Mut bei Entscheidungen auch hier im Rat zu haben, um gute Ideen und Chancen zu erkennen. Damals haben wir uns entschieden, dem Drängen des Lehrerkollektivs und der Schulleitung und der Eltern der Sternwarte-Grundschule nachzugeben und die Schule dort zu sanieren, obwohl wir wussten, dass es ein Bau war, der nur auf eine bestimmte Zeit gedacht war, die heute allerdings abgelaufen ist. Jetzt sanieren wir diese Schule, haben dort hinten keine geeigneten Sportanlagen und wir stecken da wieder Geld hinein, jetzt auch schon mehr als in der ursprünglichen Planung.“

Damals hätten, so Jens Kretzschmar weiter, Oberbürgermeister und Verwaltung wirklich einen durchdachten Plan für die Stadt auf den Tisch gelegt. „Wir haben leider im Stadtrat keine Mehrheit dafür gefunden, den Moment zu nutzen und unsere Stadt ein großes Stück voranzubringen. Wir sind den Zauderern und den Menschen nachgegangen, die in dem Moment einfach nicht mit Veränderung umgehen konnten und wollten. Wir haben ein Schulzentrum verschenkt an der Ringelnatz-Grundschule mit einer Außenanlage, über die wir gerade gesprochen haben, wir haben dort hinten die geplante Turnhalle verschenkt, wir haben verschenkte Bauplätze, da wo jetzt im Moment die Sternwarten-Schule steht für Wurzener, die gerne ihr Eigenheim bauen wollen. Lediglich der kleine Teil scheint jetzt möglich zu sein, dass die Musikschule  eines Tages in den Wasserturm einziehen kann.“

Hintergrund ist, dass die Verwaltung bereits Anfang 2017 als Alternative zu den bereits damals anstehenden umfangreich nötigen Sanierungsarbeiten an Schulgebäuden und Sportanlagen eine Zusammenführung von Ringelnatz-GS und GS „An der Sternwarte“ ins Gespräch gebracht hatte. Geplant war, gemeinsam mit der Kita Knirpsenland ein „Bildungszentrum Nord“ zu etablieren. Nach dem Umzug der Musikschule aus dem Gebäude in der Querstraße in den Wasserturm sollten dort zusätzliche Klassen- und Horträume geschaffen und eine Dreifeld-Sporthalle als Neubau errichtet werden. In der Kita Knirpsenland sollten durch die Verlagerung des Hortes ins Schulgebäude zudem neue Krippen- bzw. Kindergartenplätze geschaffen werden.

Neben der deutlichen Ersparnis bei den Baukosten für Schulen, Kitaplätze und Sportanlagen hätte das Projekt mehrere weitere Vorteile gehabt: Auf dem Gelände der Sternwarte-GS hätte nach deren Abriss ein neues Wohngebiet entwickelt werden können, wofür derzeit erhöhter Bedarf in der Stadt besteht. Der Verzicht auf einen der drei Grundschulstandorte hätte die Betriebs- und Bewirtschaftungskosten für die Kommune deutlich reduziert und auch dazu beigetragen, entsprechende Vorgaben des Kultusministeriums zu erfüllen, die Voraussetzung für den Erhalt von Fördergeldern sind. Wie wichtig auch dieser Aspekt ist, hat der zwischenzeitlich vom Land Sachsen abschlägig beschiedene Fördermittelantrag für den geplanten Neubau der Turnhalle an der Ringelnatz-Grundschule gezeigt, offenbar hielten die Entscheider diese für eine lediglich zweizügige Grundschule nicht für dringlich genug.

Welche Konsequenzen die vor drei Jahren erfolgte Ratsentscheidung gegen das Projekt „Schulzentrum Nord“ und für den Erhalt der GS „An der Sternwarte“ letztendlich noch haben wird, werden, so Oberbürgermeister Jörg Röglin, die nächsten fünf Jahre zeigen. Spätestens dann müsse sich der Stadtrat wieder damit befassen, denn das Gebäude habe nach wie vor nur eine begrenzte Lebensdauer, die man mit der Sanierung um maximal zehn Jahre verlängern könne.

Kommentar von Sylke Mathiebe:

Immer wieder hat man in Wurzen den Eindruck, dass, wie von Stadtrat Jens Kretzschmar bemängelt, „Zauderern und Menschen, die nicht mit Veränderungen umgehen können“ das politische Feld überlassen wird. Ob es um Sportanlagen geht oder um ein Schulzentrum oder, wie in jüngerer Vergangenheit, um ein Parkplatzkonzept oder einen Radweg an einer Geschäftsstraße, sehr oft sind es die Neinsager, die am lautesten sind und nach denen man sich letztlich richtet.

Vielleicht sollten die Entscheider in Verwaltung und Stadtrat nicht immer gleich den Schwanz einziehen, wenn persönliche Befindlichkeiten und Eigeninteressen Einzelner über das Gesamtinteresse der Stadt gestellt werden. Wer einen Sumpf trocken legen will, darf eben nicht die Frösche fragen.