Anschlag auf Wurzener CDU-Büro sorgt für Kontroversen

Anschlag auf Wurzener CDU-Büro sorgt für Kontroversen

Für kontroverse Diskussionen sorgt dieser Tage in Wurzen ein Anschlag auf das Büro des CDU-Landtagsabgeordneten Kay Ritter. Bislang unbekannte Täter hatten „Ihr werdet hängen“ an die Fenster gesprüht, jedes Wort mit einer SS-Rune versehen. Neben der Tatsache, dass wieder einmal rechte Drohungen in Wurzen in aller Öffentlichkeit vorgebracht werden, sorgt dabei für Diskussionsstoff, dass der CDU-Politiker trotz der offenkundig erkennbaren rechten Symbolik, glaubt man der örtlichen Tageszeitung, den Farbanschlag auf sein Büro „direkt im Zusammenhang“ mit einer im Rahmen der Stadtratssitzung geäußerten „gemeinsamen Erklärung“ von CDU und Bürgern für Wurzen (BfW) gegen eine „Linken-Demo“ sieht.

Inhalt dieser Erklärung ist eine Kritik beider Fraktionen an einer Demonstration, die am 04. Dezember auf dem Jacobsplatz stattgefunden hat. Kritikpunkte waren unter anderem die Tatsache, dass die Kundgebung unter den derzeitigen Corona-Pandemie-Bedingungen stattgefunden hat, dass erhebliche Polizeikräfte gebunden wurden und dass angebliche Schmierereien in der Bahnhofsunterführung für zusätzliche Kosten für die Stadt sorgen würden.

Was den Autoren der Erklärung offenbar entgangen oder von ihnen bewusst verdrängt worden ist: Der Aufruf zur Demonstration hatte einen klaren Hintergrund, der von den Organisatoren auch klar geäußert wurde. Eine Woche zuvor waren die “Jungen Nationalisten” (JN) lautstark durch die Straßen Wurzens marschiert, hatten rechtsextreme Parolen gebrüllt  und für Freitag, den 04.12. eine erneute Demonstration angekündigt mit “Sportgruppen” aus der rechtsextremen Szene, unter anderem aus dem JN Umfeld.

„Wir wollen uns entschlossen dagegen stellen. In Wurzen darf sich kein Nazi wohlfühlen. Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“, lautete der Demo-Aufruf, der explizit in Bezug auf die Corona-Pandemie auch entsprechende Hinweise zu Mund-Nasen-Schutz und Abstandsregelungen enthielt, an die sich auch sämtliche Teilnehmer der Kundgebung gehalten haben.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass das große Polizeiaufgebot keineswegs zum Schutz der Stadtbevölkerung vor den Demonstrationsteilnehmern gedacht war. Vielmehr hatten die Verantwortlichen in Polizei und Landkreis in ihren Planungen die angekündigten rechten Aufmärsche mit einbezogen, von deren Existenz auch die zahlreichen, offenkundig mit Nazi-Symbolik ausgeführten Schmierereien in der Stadt zeugten.

Daneben sind den Kommunalpolitikern aus CDU und BfW noch weitere Irrtümer unterlaufen. So war die Kundgebung am 04. Dezember keineswegs wie behauptet von der Linksjugend Westsachsen initiiert. Zwar liegt es in der Natur der Sache, dass eine solche Veranstaltung von irgendeiner Person angemeldet werden muss, organisiert wurde sie jedoch von mehreren Jugendlichen aus Wurzen, die unterschiedlichen Gruppierungen angehören, aber ein gemeinsames Ziel haben: Nazis in Wurzen keinen Raum geben zu wollen.

Entsprechend wurde der Aufruf zur Kundgebung auch von vielen verschiedenen Organisationen, u. a. auch Fridays for Future und der Grünen Jugend Leipzig, verbreitet und mitgetragen. Hätte man sich die Mühe gemacht, die Kundgebung selber zu besuchen (die Autorin hat dies getan), hätte man problemlos mit diesen Jugendlichen ins Gespräch kommen und ihre Intentionen erfahren können.

Nachvollziehbar ist, dass die jungen Leute nun erst recht wenig Verständnis für die Kritik aus dem Stadtrat haben. Sontje aus dem Orga-Team erklärt: “Während Neonazis erneut versuchen Wurzen zur Angstzone für alle Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, zu machen und selbst die CDU bedrohen, verschließt CDU-Landtagsabgeordneter Kay Ritter die Augen vor der Gefahr. Anstatt den Protest gegen die rechte Szene zu unterstützen, kritisiert er die engagierten Antifaschist*innen mit fadenscheinigen Argumenten. Gleichzeitig findet er keine Worte zur versuchten Demonstration der verfassungsfeindlichen JN.“

Paul Podbielski, jugendpolitischer Sprecher der linksjugend[‘solid] Westsachsen ergänzt: ” Wer sich weigert, die Gefahr von rechts zu erkennen, obwohl sein Büro von Rechtsradikalen bedroht wurde, ist ungeeignet einen demokratischen Staat zu vertreten. Kay Ritter demonstriert eindeutig seine Unfähigkeit auch nur ansatzweise gute Arbeit im Landtag zu leisten. “

Es war schon mal anders in Wurzen:

Als im Februar 2010 ebenfalls die Jungnationalen in Wurzen demonstrieren wollten, haben quer durch alle Fraktionen Wurzener Stadträtinnen zum Widerstand aufgerufen. Der gemeinsame Appell von Kathrin Gehres-Kobe (CDU) Dr. Viola Heß (Bürger für Wurzen), Petra Röber (Die Linke), Martina Schmerler und Steffi Ferl (beide SPD) hatte gelautet:

Wir rufen alle Mütter unserer Stadt auf, sich am Friedensgebet in der Wenceslaikirche am 14.02.2010 um 15.30 Uhr zu beteiligen!

Zur gleichen Zeit haben die „ Jungen Nationaldemokraten Muldental“ eine Versammlung auf dem Wurzener Markt geplant. Wieder einmal soll Wurzen zum Schauplatz rechter Ideologieverbreitung werden. Die NPD erweist sich durch ihr tägliches Handeln als Gegner unserer Demokratie, andererseits nimmt sie alle Rechte dieser Demokratie für ihre menschenverachtenden und nationalistischen Interessen in Anspruch. Unserer besonderen Verantwortung bewusst, setzen wir der rechten Einfalt unseren Widerstand entgegen – aus Überzeugung und Sorge um die Köpfe unserer Kinder!

Wir wehren uns gegen das „Braune Etikett“, welches unserer Stadt aufgezwungen wird! Lassen sie sich einladen, gemeinsam etwas gegen diese unerträgliche Situation zu tun und lassen sie uns miteinander in´s Gespräch kommen, allen Sorgen und Ängsten zum Trotz.

Zahlreiche Wurzenerinnen und Wurzener waren dem Aufruf damals gefolgt und legten im Anschluss an das Friedensgebet an der Liegenbank am Markt, wo die JN sich aufgestellt hatte, Blumen nieder als Zeichen dafür, dass Wurzen bunt sein will. Mittlerweile hat gerade der Teil der Stadträte, der sich als die sogenannte „bürgerliche Mitte“ versteht, offenbar den Kampf gegen das „braune Etikett“ aufgegeben.

Die Jugendlichen, die am 4. Dezember auf dem Jacobsplatz demonstriert haben, wollen dies nicht einfach so hinnehmen. Emma, ebenfalls Teil des Organisationsteams, sagt: „Obwohl es nicht überraschend ist, ist es dennoch enttäuschend, wie die CDU versucht dringend notwendiges antifaschistisches Engagement zu delegitimieren. Genau solche ignoranten Aussagen, dass die rechtsradikalen Drohungen am CDU-Büro in Wurzen mit der Kritik einer antifaschistischen Kundgebung zu tun hätten, sind Teil des Problems. Nicht nur wird so getan, als wären linke Strukturen für die Drohungen verantwortlich, nein, gleichzeitig wird die Gefahr von rechts verharmlost und geleugnet. Dennoch werden wir uns davon nicht entmutigen lassen. Wir werden weiter gegen rechtsradikale Menschenhasser und für eine gerechte und diskriminierungsfreie Gesellschaft kämpfen! “