Die Enttäuschung ist wohl mindestens genauso groß wie die Sorge um den Fortgang des vom Netzwerk für Demokratische Kultur e. V. (NDK) betriebenen Bauprojekts am Wurzener Domplatz, D5: Am gestrigen Abend hat der Wurzener Stadtrat mit 6 Ja-, 14 Neinstimmen bei zwei Enthaltungen die Bewilligung der Erhöhung des kommunalen Eigenanteils an den Sanierungskosten in Höhe von 35.000 Euro abgelehnt.
Die Kostenerhöhung war nötig geworden, da sich im Zuge der Baumaßnahmen und durch die allgemeine derzeitige Kostenentwicklung im Bausektor die Finanzierungskosten auf mittlerweile über zwei Millionen Euro erhöht haben.
Durch die Ablehnung des Beschlussvorschlags entgehen dem Bauherren neben der nicht bewilligten Summe rund 250.000 Euro an zusätzlichen Fördergeldern. Wie es nun mit dem Gesamtprojekt weitergehen soll, ist ungewiss.
Seit mehr als zehn Jahren sind tausende von ehrenamtlichen Arbeitsstunden und erhebliche finanzielle Eigenleistungen des Vereins in die Erhaltung und Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes geflossen, welches, da sind sich wohl alle einig, ein wichtiger Bestandteil des Gesamtensembles am Domplatz ist. Die gestrige Ablehnung verwundert vor allem deshalb, weil gerade mit Blick auf die Bedeutung des Vorhabens für die gesamte Stadt noch am 24.09.2019 die gleichen Stadträte einstimmig einer Erhöhung des Zuschusses aus dem Förderprogramm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ und der Übernahme der nötigen kommunalen Eigenmittel zugestimmt hatten – am Konzept des NDK hat sich seither nichts verändert.
Vor der Abstimmung hatte Oberbürgermeister Jörg Röglin nochmals darauf hingewiesen, dass die Ablehnung der städtischen Eigenmittel weitreichende Auswirkungen auf das Gesamtprojekt habe, da die Ausreichung der Fördergelder an den kommunalen Finanzierungsanteil gebunden ist. Wie der Beschlussvorlage zu entnehmen ist, wird zudem dieser kommunale Eigenanteil, der eigentlich ein Drittel der förderfähigen Kosten beträgt, bereits erheblich durch das NDK selbst getragen: Von den knapp 500.000 Euro, die eigentlich von der Stadt zu tragen wären, übernimmt der Verein rund 340.000 Euro, insgesamt bringt das NDK über eine Million Euro selbst an Eigenleistungen auf.
Begründet wurde die Ablehnung des Beschlussvorschlages in der Diskussion zunächst durch Stadtrat Lars Vogel (Neues Forum für Wurzen). Zwar solle das Gebäude geschützt werden und dafür seien die Steuergelder auch gut angelegt. Mehrmals betonte er ausdrücklich, das NFW habe überhaupt nichts gegen die Tätigkeit des NDK als Verein. Allerdings müsse man das Gebäude und den Eigentümer in diesem Falle trennen, das NDK solle seine Tätigkeit den veränderten Umständen anpassen und die Baukostensteigerung dadurch ausgleichen, dass auf spezifische Nutzungsmöglichkeiten eben verzichtet werden solle. Konkret nannte er dabei die im Konzept des NDK vorgesehenen Übernachtungsräume im Dachgeschoss, die aus seiner Sicht nicht nötig seien. Andere Vereine, so Lars Vogel, hätten nicht solche Möglichkeiten und müssten um Steuergelder kämpfen.
Welche konkreten Vereine er damit meinte, ließ der NFW-Stadtrat, genauso wie nach ihm CDU-Fraktionsvorsitzender Kay Ritter, der mit dem gleichen Argument seine Ablehnung begründete, allerdings offen. Dies gibt zu denken, denn bisher jedenfalls haben sich Vereine wie auch Privatpersonen, die sich in vergleichbarer Weise selbst um die Erhaltung der von ihnen genutzten Immobilien kümmern, bei der Beantragung von Fördergeldern immer auf die Unterstützung der Stadt verlassen können.
Als Beispiel sei hier u. a. der Frauenverein L.U.I.S.E. in Roitzsch mit dem dortigen Dorfgemeinschaftshaus genannt, am Domplatz haben das in Privatbesitz befindliche Schloss Wurzen wie auch das vom Ingenierbüro Kewitz genutzte Nachbarhaus Domplatz 6 bei der denkmalgerechten Sanierung erheblich von Fördergeldern und entsprechender finanzieller Beteiligung der Stadt profitiert. Selbst für Vereine, die nicht selbst die Verantwortung für von ihnen genutzte Gebäude übernehmen wollen, stellt die Stadt erhebliche Eigenmittel bereit, als Beispiele können unter anderem das Ringelnatz-Geburtshaus oder das Dorfgemeinschaftshaus in Sachsendorf dienen.
Zudem scheinen beide Stadträte nicht bedacht zu haben, dass die Gesamtfinanzierung des Vorhabens auf einem vom Fördermittelgeber bestätigten Konzept beruht, das eben explizit auch die Nutzung des Dachgeschosses für Seminar- und Übernachtungsräume vorsieht – zumindest Kay Ritter, der immerhin Landtagsabgeordneter ist, müsste die Bedeutung solcher Konzepte kennen.
Einzig SPD-Stadtrat Heinz Richerdt setzte sich für eine positive Beschlussfassung ein. Es werde so viel von Meinungsfreiheit gesprochen und er wundere sich, dass es in Wurzen immer noch Leute gebe, die die kulturelle und politische Bildungsarbeit des NDK nicht anerkennen würden. Zudem sei auch die Schaffung zusätzlicher Übernachtungsplätze aus seiner Sicht zu begrüßen.
Für zusätzliches Nachdenken sorgte schließlich die Anfrage von Thomas Schumann (Bürger für Wurzen), der darauf verwies, dass Stadtrat Jens Kretzschmar (Die Linke) als Vorstandsmitglied des NDK als befangen gelten könne und sich bei der letzten Abstimmung zum Thema auch deshalb nicht beteiligt habe.
Wie der städtische Justiziar Matthias Rieder allerdings deutlich machte, obliegt es den Stadträten selbst, sich für befangen zu erklären, wenn sie dies für gegeben halten, Jens Kretzschmar hatte daraufhin erklärt, dass ihm durch seine ausschließlich ehrenamtliche Tätigkeit im Vorstand des NDK keinerlei persönliche Vorteile erwachsen, also auch nicht aus der Bewilligung der Gelder für die Sanierung des D5, und er sich daher nicht für befangen halte.
Wie Justiziar Rieder aber auch zu bedenken gab, haben zwei andere Stadträte, die der Fraktion Bürger für Wurzen angehören, durchaus nicht unerhebliche persönliche Interessen in diesem Fall: Sowohl der Miteigentümer des Wurzener Schlosses Ronny Wedekind als auch Andreas Fricke betreiben in unmittelbarer Nachbarschaft des D5 eigene Pensionen bzw. bieten Übernachtungsmöglichkeiten an.
Vor dem Hintergrund der von mehreren Räten vorgetragenen Begründung für ihre Ablehnung des Beschlussvorschlages, die mit den zu bewilligenden Geldern geschaffenen zusätzlichen Übernachtungsmöglichkeiten seien für die Stadt nicht nötig, könnten bei beiden durchaus auch kommerzielle Überlegungen bei ihrer Entscheidung eine Rolle gespielt haben. Inwieweit sich für diese beiden Stadträte daraus Befangenheitsgründe ergeben, ist derzeit noch unklar und, zumal beide bei der Abstimmung mit Nein gestimmt haben, insofern das Abstimmungsergebnis eventuell anfechtbar.