Denkmalschutz legt Naturschutzprojekt auf Eis

Denkmalschutz legt Naturschutzprojekt auf Eis

Überall in Sachsen, vor allem in der Region um Leipzig, gibt es Beispiele für erfolgreich umgesetzte gleichartige Projekte – nur in Wurzen scheitert wieder einmal ein vielversprechendes Vorhaben am Veto der Denkmalschutzbehörde.

„Gastfreundschaft im Trafohaus“ heißt die Initiative des NABU, mit der seit den 90er Jahren bereits zahlreiche ausgediente Transformatorenhäuschen, die teilweise unter Denkmalschutz stehen, als Möglichkeit genutzt werden, die durch vermehrte Bautätigkeit in den Kommunen drohende „Obdachlosigkeit“ gebäudebewohnender Tierarten zu vermeiden.

Gemeinsam mit den Eigentümern, also Energieversorgern bzw. Kommunen, verbinden die Naturschützer die Sanierung der zum Dorfbild gehörenden Trafohäuschen mit der Installation geeigneter Nisthilfen für bedrohte Tierarten wie Schleiereule, Turmfalke oder Mehlschwalben.

Seit Ende 2019 gibt es auch in Kühren eine Initiative, das dortige Trafohäuschen als Vogelkinderstube umzugestalten. Getragen wird das Vorhaben vor allem vom Förderverein der örtlichen Kita „Rüsselchen“, der in Zusammenarbeit mit dem NABU die Nistkästen bereitstellt, mittlerweile ist die Finanzierung auch über den Fonds des Ortschaftsrates Kühren-Burkartshain erfolgt.  Die NABU-Ortsgruppe Falkenhain will gemeinsam mit den Kita-Kindern später das Projekt fachlich betreuen.

Mitte 2021 gab es, nachdem über den Wurzener Stadthaushalt die Finanzierung gesichert war, endlich den Startschuss für die Sanierung des Trafohäuschens. Doch seit mittlerweile vier Monaten liegt das Projekt Vogelkinderstube auf Eis:

Informationen aus der Stadtverwaltung dazu gab es am 20. Dezember des vergangenen Jahres. Auf Anfrage von Stadtrat Matthias Lange teilte der zuständige Fachbereich mit, dass es mit der Denkmalschutzbehörde am 14. Juli 2021 eine finale Abstimmung zum Projekt gegeben habe. Nach Rückbau der alten Holzverkleidung sei allerdings der ursprüngliche Zustand (Fachwerk und Fenster) im oberen Bereich sichtbar geworden, sodass aus denkmalschutzrechtlichen Gesichtspunkten die ursprünglich geplante Neuverkleidung mit Einflugöffnungen nicht möglich sei.

Man habe aber, so die Stadtverwaltung Wurzen, am 05.11.2021 die Denkmalschutzbehörde schriftlich angefragt, ob es eine Möglichkeit zur Schaffung der Einflugöffnungen im Fensterbereich gibt. Eine Antwort sei, so die Mitteilung vom 20.12.2021, noch nicht eingetroffen.

Eine redaktionelle Anfrage zum Sachstand an die Sachgebietsleiterin Denkmalschutz beim Landkreis Leipzig, Ina Naumann, vom 01. Februar 2022 blieb bis dato unbeantwortet, auch aus der Stadtverwaltung waren keine weiteren Informationen zu erhalten. Dass das Projekt seit nunmehr vier Monaten auf Eis liegt, ist für die Beteiligten schwer zu verstehen.

Laut Frank Heine vom NABU, der von Beginn an das Projekt Vogelkinderstube Kühren unterstützt, gibt es nämlich eine ganz einfache Lösung des Problems: Anstatt, wie ursprünglich geplant, für die Vögel eine Einflugöffnung in der Fassade zu schaffen, würde es genügen, stattdessen, wie in anderen Trafohäuschen praktiziert, einfach ein Glaselement aus einem der neu entdeckten Fenster wegzulassen – die perfekte, technisch einfachste Möglichkeit, Denkmalschutz und Naturschutz in Einklang zu bringen.

Offenbar zu einfach? Angesichts der Tatsache, dass diese Lösungsvariante bereits am 06.11.2021 in der Stadtverwaltung bekannt war, haben die Verantwortlichen dort wohl selber einen nicht geringen Anteil an der unklaren Situation. Vier Monate auf einen Bescheid einer Behörde zu warten, ohne selbst zur Lösung des Problems aktiv zu werden, lässt entweder auf Hilflosigkeit oder mangelndes Interesse schließen.

Auf den einfachsten Weg, nämlich der Denkmalschutzbehörde die in anderen Trafohäuschen erfolgreich umgesetzte Vorgehensweise als geplante Lösungsvariante mitzuteilen und, unter Setzung einer Frist, falls man dort dieser Variante nicht zustimmt, anzukündigen, das Projekt dann auch umzusetzen, ist offenbar noch niemand gekommen. Diese Lösung wäre schon deshalb sehr elegant, weil, sollte sich die Landkreisbehörde auch dann nicht äußern, spätestens zu dem Zeitpunkt, wenn ein unter Naturschutz stehender Piepmatz sein erstes Ei in einem der installierten Nistkästen abgelegt hat, nicht mehr die Stadt Wurzen, sondern die Naturschutzbehörde beim Landkreis Leipzig für den Streit mit der Denkmalschutzbehörde zuständig wäre…