Kleingarten-Vereinsvorstand schreibt offenen Brief an Wurzener OBM

Kleingarten-Vereinsvorstand schreibt offenen Brief an Wurzener OBM

Offenbar sorgen die Bemühungen des Wurzener Oberbürgermeisters um den Erhalt der städtischen Kleingartenvereine auch weit übers Muldental hinaus für Aufmerksamkeit.

In einem offenen Brief, der unserer Redaktion heute zugegangen ist, schreibt Anton Marx, Vorsitzender eines Kleingartenvereins aus Markkleeberg, unter Bezug auf die Verhandlung am Oberlandesgericht Dresden im Verfahren der Stadt Wurzen gegen den Regionalverband “Muldental” der Kleingärtner unter der Überschrift „Dank für Ihr Engagement für das Kleingartenwesen“ an Jörg Röglin

„… um Ihnen mitzuteilen, dass nach Meinung vieler Akteure des Kleingartenwesens Ihre Handlungen genau richtig und vor allen Dingen sehr wichtig waren bzw. sind. Dies möchte ich wie folgt näher erläutern:

Wir hier in Leipzig beobachten das Verhalten des Regionalverbandes Muldental gegenüber den Kleingärtnern nicht nur in Wurzen mit Sorge, sind aber davon nicht überrascht. Vielmehr ist der Regionalverband Muldental ein negativ hervorstechendes Beispiel für ein weitverbreitetes System innerhalb der Kleingärtnerverbände Sachsens.

Dieses Verbandswesen hat es sich scheinbar zur Aufgabe gemacht, die eigenen Mitglieder mittels Knebelverträgen und Drohgebärden in bester Zwangsmitgliedschaftsmanier an sich zu binden. Man lässt in den Führungsriegen der Verbände offenbar jegliche Hemmungen fallen, um die eigenen Posten und deren nicht selten üppige Bezahlung zu sichern. Der Umstand, dass viele Kommunen und andere Eigentümer ihre jeweiligen Kleingartenflächen in gutem Glauben an die Rechtschaffenheit der Kleingärtnerverbände an diese mittels Generalpachtverträgen verpachtet haben, kommt den Verbänden da sehr entgegen.

Denn während eine Zwangsmitgliedschaft im Vereinsrecht nicht möglich ist, so lassen sich auf pachtvertraglicher Ebene viele für die Kleingärtner und ihre Vereine nachteiligen Regelungen rechtswirksam vereinbaren. So ist es dann auch mit der “Verwaltungsvollmacht” (oder auch “Verwaltungsauftrag”) geschehen. Wer dort einmal genauer hinschaut, erkennt, dass die Vereine mittels solcher Vereinbarungen in eine absolute Abhängigkeit vom jeweiligen Verband gedrückt wurden und werden. Nicht selten fällt hierzu das Schlagwort “DDR 2.0”.

Wie das dann praktisch aussieht, zeigt der Regionalverband unserer Meinung nach beispielhaft: Spurt ein Vereinsvorstand nicht, wird dem jeweiligen Verein die “Verwaltungsvollmacht” entzogen. Ohne diese hat der betroffene Verein mit seiner eigenen Kleingartenanlage dann in der Regel nichts mehr zu tun. Denn als nur “Bevollmächtigter” erledigte der Verein alle Dinge rund um die Kleingartenanlage ausschließlich im Auftrag des Verbandes. Von der Tatsache, dass der nur beauftragte Verein in aller Regel sämtliche Kosten der Auftragsausführung tragen soll, will ich gar nicht erst anfangen. Es mag jeder für sich selbst entscheiden, ob folgendes vergleichbares Szenario gerecht ist: Man schickt jemanden für sich einkaufen. Der Einkäufer übergibt die angeforderten Waren, soll aber den Einkauf bezahlen. So und nicht anders läuft es aktuell nicht nur im sächsischen Kleingartenwesen.

Allein schon die Drohung über den Entzug der “Verwaltungsvollmacht” genügt – häufig in Verbindung mit Schreckensszenarien über die Zahlung von völlig überhöhten “Verwaltungspauschalen” an den Verband – meist schon, um die Vereinsvorstände wieder “auf Linie” zu bringen.

Es bleibt mit Blick auf die drei betroffenen Wurzener Kleingartenvereine zu hoffen, dass die Gerichte die Feststellung beibehalten, dass die dort vorhandenen Verträge tatsächlich Zwischenpachtverträge sind, die nur falsch überschrieben wurden, sodass das Bundeskleingartengesetz die Vereine und ihre Kleingartenanlagen vor dem versuchten Zugriff durch den Verband schützt.

Gerade wegen der zu häufig erfolgreichen Strategie mit Drohgebärden und Existenzängsten ist es umso wichtiger, dass es eine Kommune wie Wurzen gibt, die dem ausbeuterischen Verhalten eines Generalpächters den Kampf ansagt und klar macht, dass nicht die Verbände im Mittelpunkt stehen, sondern es schlicht und einfach um die Kleingärtner und ihre Vereine geht. Nicht die Verbände sind das Kleingartenwesen, sondern die Kleingärtner und ihre Vereine vor Ort, die sämtliche Arbeit und Aufgaben erfüllen. Wichtig ist das Stellung beziehen der Stadt Wurzen auch dahin gehend, dass es leider auch solche Städte und Kommunen gibt, die getreu der Devise “Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen” dem unverkennbaren Missbrauch der Kleingartenflächen untätig zuschauen, so z. B. u. M. n. die Stadt Leipzig, die sich trotz Kenntnis unsäglicher Vorgänge in den hiesigen Verbänden zurücklehnt und die Hände im Schoß zusammenfaltet.

Alle Teilnehmer der Gerichtsverhandlung wissen zwar, wie das mittlerweile auch verkündete Urteil lauten dürfte. Der vorsitzende Richter der Verhandlung nahm aber überhaupt kein Blatt vor den Mund und warnte den Regionalverband eindringlich, dass der “Sieg” kein langlebiger sein könnte, wenn die Stadt Wurzen sich für eine komplette Kündigung des Generalpachtvertrages entscheiden würde. Denn der “Fehler” der Stadt Wurzen war es, nach den Worten des Richters, den Generalpachtvertrag aus falsch verstandener Rücksichtnahme nur zum Teil zu kündigen. Dies sei gemäß Bundeskleingartengesetz nicht zulässig. Gleichwohl wären die von der Stadt Wurzen angebrachten Gründe für eine komplette Kündigung wahrscheinlich ausreichend gewesen.

Ich möchte Sie zusammenfassend im Namen aller freiheitlich denkenden Kleingärtner hier in Leipzig und im Sinne eines modernen, auf freiheitlich-demokratischen Grundwerten basierenden und von Zwangsmitgliedschaften befreiten Kleingartenwesens ermutigen, den eingeschlagenen Kurs zum Schutze der Wurzener Kleingärtner beizubehalten und sich auch nicht von persönlichen Angriffen davon abbringen zu lassen. Nach allem, was ich bislang in Erfahrung gebracht habe, finden sich mit großer Wahrscheinlichkeit ausreichende Gründe zur Kündigung des Generalpachtvertrages. Gleichzeitig signalisiere ich Ihnen hiermit die andauernde Unterstützung unseres Netzwerkes freier Kleingartenvereine aus dem Leipziger Raum; wir stehen hinter Ihnen und den betroffenen drei Wurzener Kleingartenvereinen. Gemeinsam gelingt es uns vielleicht, den Angriff des Regionalverbandes auf die drei Wurzener Kleingartenvereine final abzuwehren und damit ein bedeutsames Signal des Fortschritts in das sächsische Kleingartenwesen (und darüber hinaus) zu senden.

In einer ersten Reaktion zeigte sich Jörg Röglin positiv überrascht von diesem unerwarteten Zuspruch, ihm sei „die Tragweite unserer Entscheidung gar nicht in diesem Maß bewusst“ gewesen. Es sei noch nicht sicher, wie es jetzt in Wurzen weitergehe, aber „Ihr Schreiben wird bei der Entscheidung sicher eine Rolle spielen.“