Zirkus Alexander – offener Brief sorgt für Ärger

Zirkus Alexander – offener Brief sorgt für Ärger

Seit vor nunmehr fast vier Monaten der Circus Alexander auf dem Festplatz gestrandet ist, verlief die Kommunikation mit dem Wurzener Stadthaus immer mal wieder schwierig. Doch trotz anfänglicher Vorbehalte hatte die Stadtverwaltung, nachdem im Anschluss an die geplanten Auftritte eine Weiterreise wegen der Corona-Pandemie nicht möglich war, der Zirkusfamilie die weitere Nutzung des Festplatzes zunächst für vier Wochen erlaubt.

Am 23. April gab es ein Gespräch im Stadthaus, zu dem Oberbürgermeister Jörg Röglin eingeladen hatte, um das weitere Vorgehen abzustimmen und zwischenzeitlich aufgetretene Fragen und auch Missverständnisse zu klären.

Laut Pressemeldung der Stadt vom 24.04.2020 erhielt der Zirkus im Ergebnis die Erlaubnis, da er trotz intensiver Bemühungen um ein Ausweichquartier keine andere Bleibe gefunden hatte, den Festplatz weiterhin bis zum 31. August zu nutzen. Sowohl bezüglich der notwendigen Auflagen wie Müll- und Fäkalienentsorgung oder Abtransport von Mist als auch in Bezug auf die Kosten für Strom und Wasser habe man sich einigen können, über den Umgang mit einer zusätzlichen Gebühr für die längere Nutzung des Festplatzes müsse noch entschieden werden.

Doch nun sorgt ein offener Brief für Ärger, der seit gestern über die sozialen Netzwerke verbreitet wird. Darin heißt es, Zirkus Alexander habe sich „wegen der immer wiederkehrenden behördlichen Auflagen, wegen der unzähligen Vorwürfe und wegen der anhaltenden Behauptungen uns gegenüber“ entschlossen, an die Öffentlichkeit zu gehen. Völlig überraschend habe die Stadt Wurzen eine Miete für den Verbleib auf dem Festplatz benannt. Eine Mitarbeiterin habe gegenüber dem Management mitgeteilt, dass für die Zeit in Wurzen „satte 23200 Euro Miete“ zu zahlen seien. Zugleich sei mitgeteilt worden, man könne einen Erlassantrag an die Verwaltung stellen. Eine solche Forderung könne und werde man nicht akzeptieren.

Um welche konkreten Vorwürfe, Behauptungen und Auflagen es geht, wird aus dem offenen Brief nicht deutlich. Auch wie es zu dieser „völlig überraschenden“ Mietforderung gekommen ist, war nicht eindeutig zu erfahren, auf entsprechende Anfragen unserer Redaktion hat der Zirkus bis dato nicht geantwortet. Wie Stadtrat Thomas Schumann, der als Vermittler zwischen Zirkus und Stadthaus fungiert, auf Anfrage mitteilt, gibt es allerdings bisher keine Rechnung an den Zirkus, lediglich eine Mail an die Zirkusmanagerin mit einer Aufstellung der bis dato aufgelaufenen Kosten.

Auch die Hintergründe dieser Aufstellung lassen sich derzeit nicht eindeutig klären, da die entsprechenden Mitarbeiter der Verwaltung am Wochenende nicht im Dienst sind. Es ist aber davon auszugehen, dass die Verwaltung die Gebühren für die Benutzung des Festplatzes wie vorgeschrieben entsprechend der Sondernutzungssatzung für öffentliche Wege und Plätze im Gebiet der Stadt Wurzen erhebt, die auf der Webseite der Stadt abrufbar ist. Dort heißt es im Gebührenverzeichnis, dass z. B. für gewerbliche Einrichtungen im Reisegewerbe pro Monat 6 Euro/m² erhoben werden. Das würde bedeuten, dass bei geschätzten 1000 m² Fläche monatlich 6.000 Euro und nach vier Monaten eben rund 24.000 Euro zu Buche schlagen.

Dass die Stadt eine solche Forderung tatsächlich einzutreiben gedenkt, ist allerdings schon mit Blick auf den ausdrücklichen Verweis auf einen möglichen Erlassantrag äußerst fraglich, zumal die prekäre Lage der Zirkusleute auch im Stadthaus bekannt ist, jeder weiß, dass eine gewerbliche Nutzung der Flächen und daraus erzielte Einnahmen derzeit schlicht nicht möglich sind und man auch bei den Abschlägen bei den Versorgern für Strom und Wasser bislang in Vorleistung geht.

Um eine solche per Satzung festgelegte Gebühr im Einzelfall stunden, mindern oder erlassen zu können, muss sich jedoch auch die Verwaltung an Regeln halten, immerhin haben alle Bürger und Gewerbetreibenden ein Recht auf Gleichbehandlung. In diesem Sinne ist es notwendig, dass seitens des Gebührenschuldners ein entsprechender Erlassantrag gestellt und begründet wird. Über diesen Antrag entscheidet laut Hauptsatzung der Stadtrat, der dabei unter anderem zu prüfen hat, ob die angegebenen Gründe für eine Sonderregelung stichhaltig sind, der Schuldner tatsächlich nicht zahlen kann bzw. mögliche Hilfs- und Förderangebote auch ausgeschöpft wurden.

Diese Entscheidung kann auch erst dann getroffen werden, wenn die entsprechenden Kosten insgesamt feststehen und klar ist, dass in der Zwischenzeit nicht doch noch eine gewerbliche Nutzung der Flächen mit entsprechenden Einnahmen erfolgt. Thomas Schumann, der nach eigenen Angaben von sich aus bereits im Vorfeld als Stadtrat einen Antrag auf Erlass gestellt hat, erklärte auf unsere Anfrage: „OBM Röglin ließ mündlich mitteilen, dass er diesen Antrag erst nach der Abreise des Zirkus behandeln möchte.“

Bis zu einer Entscheidung ist also noch reichlich Zeit, die nächste reguläre Stadtratssitzung findet am 15. September 2020 statt, vorher wird es auch keine Zwangsmaßnahmen gegen den Zirkus geben können. Weshalb sich dieser zum jetzigen Zeitpunkt mithilfe der Öffentlichkeit vor einer vermeintlichen überhöhten Forderung schützen will, bleibt auch vor diesem Hintergrund schwer nachvollziehbar. Dem Verhältnis zwischen Stadt und Zirkus hat man damit aber wohl keinen Gefallen getan.