Was eine Stadt wie Wurzen erreichen kann, wenn Räte und Verwaltung am selben Strang und auch noch in dieselbe Richtung ziehen, sieht man am glücklichen Ausgang der Querelen mit der Denkmalschutzbehörde beim Landkreis um den Bebauungsplan am Wasserturm.
Hauptstreitpunkt dabei war der geplante Abriss des alten Werkstattgebäudes, der aus Sicht der Stadt und der Investoren für den geplanten Aldi-Markt notwendig ist, um die geforderte Anzahl an Parkplätzen schaffen zu können und eine Sichtachse zwischen Parkplätzen und Aldi-Markt zu erhalten.
Die untere Denkmalschutzbehörde war jedoch der Meinung, dass es sich bei dem Werkstattgebäude um ein erhaltenswertes Baudenkmal handelt, das nicht abgerissen werden darf und hatte den Planungen im Bebauungsplan der Stadt nicht zugestimmt.
Die in der Stadtverwaltung für die Bauleitplanung zuständige Konstanze Neudert hatte im Rahmen der Abwägung darauf verwiesen, dass Kulturdenkmale laut Denkmalschutzgesetz „im Rahmen des Zumutbaren“ denkmalgerecht zu erhalten und vor Gefährdung zu schützen seien. Dies sei laut eines durch die Stadt in Auftrag gegebenen Gutachtens im Falle des Werkstattgebäudes nicht gegeben.
Im Protokoll heißt es dazu: „Für den Abbruch des Werkstattgebäudes wurde bereits ein denkmalschutzrechtlicher Zustimmungsantrag übergeben. Mit dem Denkmalschutzantrag zum Abbruch wurde objektiv nachgewiesen, dass eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit vorliegt, da trotz massiver steuerlicher Abschreibungen kein positiver Ertrag möglich ist, schon gar nicht dauerhaft. Dabei wurde nicht einmal betrachtet, dass es keine Nachnutzung gibt, was zwangsläufig und jederzeit zu einer Unwirtschaftlichkeit führt.“
Der Bitte der Verwaltung, die Einwände der Unteren Denkmalschutzbehörde zum Bebauungsplan abzulehnen, folgten die Stadträte in der Sitzung vom 23.06.2020 einstimmig. Sie setzten damit auch ein Zeichen dafür, dass alle Fraktionen geschlossen hinter dem Projekt Wasserturm stehen und sich gemeinsam gegen die aus Sicht der Stadt (wieder einmal) nicht nachvollziehbaren und als willkürlich empfundenen Entscheidungen der Denkmalschutzbehörde wenden.
Die Kommunalaufsicht des Landkreises Leipzig hatte daraufhin versucht, den gesamten Bebauungsplan infrage zu stellen. So heißt es in deren Schreiben vom 06.11.2020: „Seitens der unteren Denkmalschutzbehörde Landkreis Leipzig und dem Landesamt für Denkmalpflege gibt es zum vorgesehenen Abriss des Werkstattgebäudes kein Einvernehmen und nach derzeitiger Aktenlage kann dem Abrissbegehren des Eigentümers weder denkmalfachlich noch denkmalrechtlich zugestimmt werden. Der vorliegende Bebauungsplan berücksichtigt den Denkmalschutz nicht und ist im anschließenden Baugenehmigungsverfahren entsprechend § 29 Abs. 2 BauGB nicht vollziehbar und somit unwirksam.“
Das Schreiben hatte in der Verwaltung allerdings für Verwunderung gesorgt, denn offenbar hatte man sich in der Landkreisbehörde nicht korrekt über die „derzeitige Aktenlage“ informiert. Bereits rund vier Wochen vorher hatte nämlich die Landesdirektion Sachsen auf den Widerspruch des Aldi-Investors reagiert. In deren Zustellungsurkunde Widerspruchsbescheid vom 13.10.2020 steht geschrieben:
„Der Bescheid der unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises Leipzig vom 21.07.2020 (…) wird aufgehoben. Der Abbruch des Werkstattgebäudes am Wasserturm Wurzen (…) wird unter den unter Ziffer 3 benannten Bedingungen und mit den unter Ziffer 4 und 5 benannten denkmalschutzrechtlichen Auflagen genehmigt.“
Der daraufhin durch Oberbürgermeister Jörg Röglin um Aufklärung gebetene Landrat Henry Graichen teilte mit Schreiben vom 19.11.2020 dann mit: „Mit dem Vorliegen der denkmalschutzrechtlichen Abbruchgenehmigung wird das Amt für Rechts-, Kommunal- und Ordnungsangelegenheiten ein neues Schreiben an Sie im Rahmen der Satzungsanzeige verfassen. In diesem weist sie darauf hin, dass die denkmalschutzrechtliche Abbruchgenehmigung zwar jetzt mit Datum vom 13.10.2020 vorliegt, aber nicht Gegenstand zum Zeitpunkt der Abwägung am 23.06.2020 sein konnte. Daraus folgt der Hinweis, die vorliegende Satzung aufzuheben, die Abwägung in diesem Punkt zu wiederholen sowie auf die neue Rechtslage abzustellen und den Satzungsbeschluss neu zu fassen.“
Entsprechend heißt es im Schreiben der Kommunalaufsicht vom 09.12.2020 unter Bezug auf das Schreiben des Landrats: „Wie Ihnen in diesem Schreiben mitgeteilt wurde, konnte zum Zeitpunkt der Abwägung am 23.06.2020 noch nicht von der Erteilung der denkmalschutzrechtlichen Abbruchgenehmigung (Datum 13.10.2020) ausgegangen werden. Somit lag zum damaligen Zeitpunkt ein Verstoß gegen das Gebot gerechter Abwägung gemäß §1 Abs. 7 Baugesetzbuch (BauGB) vor. Demzufolge ist die vorliegende Satzung (…) aufzuheben. Die Abwägung ist in diesem Punkt zu wiederholen und der Satzungsbeschluss neu zu fassen.“
Genau so ist es in der Ratssitzung am vergangenen Dienstag geschehen, der Satzungsbeschluss erfolgte wiederum einstimmig. Damit sind nun wohl die Voraussetzungen für den Fortgang des Gesamtprojektes „Handeln und Musizieren am Wasserturm“ und insbesondere den Verkauf des Grundstücks an den Aldi-Investor gegeben – der Verkaufserlös soll für die Errichtung des Dorfgemeinschaftshauses in Sachsendorf verwendet werden und ist Grundlage für die Umsetzung auch dieses Projekts.
Quelle: Ratsinformationssystem Wurzen, Anlagen zu TOP 10