Jugendprojekt „Blühwiese“ erhitzt die Gemüter

Jugendprojekt „Blühwiese“ erhitzt die Gemüter

Mit einigem Stolz blicken die Jugendlichen der Wurzener Ortsgruppe von Fridays for Future auf eines ihrer derzeit wichtigsten Projekte: Sie haben sich vorgenommen, die Grünfläche vor dem städtischen Gymnasium zum Insektenparadies zu machen.

Anders als bei solchen Projekten gemeinhin üblich, wollen sie dabei nicht etwa spezielle Gewächse ansäen oder anpflanzen, sondern der Natur ihren Lauf lassen und erforschen, ob es auch ohne aufwendige Vorarbeiten und teures Saatgut möglich ist, heimischen Tieren und Pflanzen eine Lebensgrundlage zu bieten.

Die Idee ist, die bis dahin ungenutzte und regelmäßig kurz gemähte Grünfläche, die sich außerhalb des Schulgeländes befindet und im Besitz der Stadt Wurzen ist, künftig nur noch ein- oder zweimal im Jahr zu mähen und über mehrere Jahre zu erforschen, welche Pflanzen sich dann sozusagen „von selbst“ dort ansiedeln. Unterstützung gab es zunächst von der Stadtverwaltung, die zusagte, die Mäharbeiten zu reduzieren und künftig durch den Bauhof in Absprache mit den Jugendlichen durchzuführen.

Die ersten Ergebnisse der Forschungen gab es im vergangen Jahr: Was manche Leute bei oberflächlicher Betrachtung als „langweilige Grasfläche“ bezeichneten, entpuppte sich bei näherer Betrachtung bereits zu diesem frühen Stadium als artenreiche Wiese, die neben zahlreichen unterschiedlichen Gräsern auch verschiedenste Kräuter und Blühpflanzen enthielt.

Unterstützt von Naturschützer Klaus Zeibig, der als Experte weit über die Stadtgrenzen hinaus anerkannt ist und auch die Naturwiese am Wachtelberg betreut, haben die Jugendlichen in einer gemeinsamen Begehung rund 20 unterschiedliche Pflanzen identifiziert, fotografisch dokumentiert und im Nachgang in Literatur und Internet recherchiert, für welche Insekten und Kleintiere diese wichtig sind. Neben Bienen und Hummeln zählte am Begehungstag auch ein Schmetterling an der für seine Art typischen Futterpflanze zu den Besuchern der Wiese.

Gespannt waren die Jugendlichen nun vor allem darauf, wie sich ihre gefundenen Pflanzen verbreiten und welche weiteren sie in den kommenden Jahren auf ihrer Naturwiese entdecken würden. Doch dann, kurz vor Weihnachten, kam die Ernüchterung: Bei einem Gespräch mit dem Verantwortlichen in der Wurzener Stadtverwaltung, Michael Zerbs, teilte dieser mit, er habe die Entscheidung getroffen, dass das Projekt Blühwiese nicht mehr von den Jugendlichen weitergeführt, sondern diese fortan nach den Vorstellungen der Schule gestaltet werden solle. Die Jugendlichen, so Michael Zerbs, sollten stolz darauf sein, dass sie das Projekt angefangen und die Idee gehabt haben, sie dürften sich ja eventuell in Abstimmung mit der Schule „mitbeteiligen“.

Wie genau das nach den Angaben von Herrn Zerbs offenbar von der Schule geplante Projekt aussehen soll, haben die jungen Leute nicht erfahren, sind sich aber sicher, dass ihr Projekt, das ja eben nicht auf „Gestalten nach Vorstellungen“ gerichtet ist, damit gestorben wäre. Die schon gewonnenen Projektergebnisse haben bei der Entscheidung offenbar niemanden interessiert und wurden auch nicht besprochen, die Entscheidung damit begründet, dass einigen Menschen (Herrn Zerbs und der Schule) die Ästhetik der Wiese nicht gefallen würde.

Kritik am Blühwiesenprojekt hat es praktisch seit Beginn des Vorhabens zum Leidwesen der Jugendlichen, die damals mehrheitlich noch Schüler waren, ausgerechnet vonseiten ihres Gymnasiums gegeben. Mehrfach war die Grünfläche, entgegen den Absprachen, die sie mit der Stadtverwaltung getroffen hatten, von der Hausmeisterin der Schule gemäht worden. Als Begründung hieß es unter anderem, man habe Sorge, es würden nun vermehrt Schüler:innen  von  Bienen  gestochen  werden  oder  die Jugendlichen  würden sich irgendwann nicht mehr um die Wiese kümmern.

Später hieß es, durch  den  Wind  wehe  das  ganze  „Unkraut“  auf  den  nebenstehenden Sportplatz und verursache mehr Arbeit. Zudem wäre die Wiese unansehnlich, und da niemand wissen würde, dass dies ein Projekt von Fridays for Future ist, würde das  Image  der  Schule beschädigt. Das oben auf dem Foto abgebildete Schild, das daraufhin von den Jugendlichen aufgestellt wurde, war nach nicht einmal einer Woche verschwunden.

Auf konkrete Nachfrage unserer Redaktion an die Schulleiterin Frau Schwarzbach, ob die Forderung, das Projekt der Jugendlichen zu stoppen, von ihrer Seite gekommen sei, teilte diese mit, dies entspreche „in keinster Weise den Tatsachen. Ich verwahre mich gegen diese Aussage. Wir sind nicht der Schulträger, der solche Entscheidungen treffen kann. Schulträger ist die Stadt Wurzen.“

Wie es mit der Blühwiese weitergeht liegt also in der Hand der Wurzener Stadtverwaltung. Das letzte Wort in dieser Sache ist, geht es nach den Jugendlichen von Fridays for Future, aber sicher noch nicht gesprochen. Lene Dachowicz, die bei dem Gespräch Ende Dezember im Stadthaus dabei war, bringt es auf den Punkt:

„Dass die Blühwiese der Schule überlassen werden soll, wurde ohne unser Wissen beschlossen. Wir werden unser Projekt aber definitiv nicht kampflos aufgeben, nur um künstlich für Pflanzen zu sorgen, die schon längst auf unserer Blühwiese wachsen. Das wüsste Herr Zerbs auch, hätte er sich vorher für einen Moment mit unseren Projektergebnissen beschäftigt, bei dem wir den Pflanzenbestand mit einem Experten dokumentiert haben. Wir fühlen uns in unserer Arbeit nicht ernst genommen und in unserem eigenen Langzeitprojekt bevormundet.“