Diskussion um Wurzener NSDAP-Oberbürgermeister – Teil 3: Weimar und das K-Lager Buchenwald

Diskussion um Wurzener NSDAP-Oberbürgermeister – Teil 3: Weimar und das K-Lager Buchenwald

Die Beziehungen der Kulturstadt Weimar zu dem in ihrer Nachbarschaft von den Nazis errichteten Konzentrationslager auf dem Ettersberg sind ein umstrittenes Thema. Allerdings belegen die im dortigen Stadtarchiv vorliegenden Akten, dass eine enge Verbindung zwischen Stadt und K-Lager von Beginn an nicht nur vonseiten der NSDAP und der Lagerleitung gewollt, sondern auch von der damaligen Weimarer Stadtspitze toleriert und gefördert wurde.

Schon kurz nachdem der spätere Wurzener Oberbürgermeister Dr. Armin Graebert im Juli 1937 sein Amt als Weimarer Stadtkämmer angetreten hat, stehen für die Gauhauptstadt große Herausforderungen im Raum:

Nach dem Willen von Reichsstatthalter Fritz Sauckel soll die Stadt nach dessen Vorstellungen zum Vorzeigeobjekt für das gesamte Reich umgestaltet werden. Die geplanten Bauwerke, unter anderem das monumentale Gauforum, benötigen sowohl immense Mengen an Baumaterialien wie auch an Arbeitskräften, was zumindest einer der Gründe für die Errichtung des Lagers Buchenwald in unmittelbarer Nachbarschaft gewesen sein dürfte.

Als Problem erwies sich dabei offenbar die verwaltungstechnische Zugehörigkeit des Lagers. Datiert auf den 6. September 1937 findet sich in den Akten des Weimarer Stadtarchivs der folgende, von Stadtkämmerer Dr. Graebert unterzeichnete Vermerk:

Bereits zwei Tage später, am 8. September 1937, fand laut einer weiteren Aktennotiz „eine Besprechung im Ministerium zwischen den Herren Ob.Reg.Rat Gommlich, Ob.Reg.Rat Dr. Thein, SS-Standartenführer Koch, dem Kommandanten des K-Lagers Buchenwald, und dem Untersturmführer Ridel, dem Architekten des Lagers, einerseits, und Herrn Bürgermeister Thomas und dem Unterzeichneten, andererseits über die Eingemeindung des K-Lagers statt.“

Besprochen werden die Anforderungen, die sich aus einer Eingemeindung für die Stadt Weimar ergeben könnten, wie Größe des Lagers, geplante Anzahl von Häftlingen und Wachmannschaften, Strom-, Gas- und Wasseranschlüsse, Straßenanbindung, Kanalisation, die sämtlich vom Lager selbst hergestellt und betrieben würden. Auch Straßenreinigung, Müllabfuhr und Feuerschutz würden vom Lager bzw. den Häftlingen selbst  geleistet.

Unter anderem heißt es: „… Ein eigener Friedhof komme für das Lager nicht infrage, da die Gestorbenen verbrannt würden. Aufgaben der Wohlfahrtspflege seien im Lager nicht erforderlich …

… Herr Ob.Reg.Rat Gommlich und Herr Ob.Reg.Rat Dr. Thein erklärten ferner, daß die Gemeinden Hottelstedt und Ottstedt der Stadt keine Schwierigkeiten bereiten würden. Sie wären auch bereit, dafür einzutreten, daß diese keine Ansprüche aus der Ausgemeindung an die Stadt stellen könnten.

Da ein Zusammenhang zwischen der Stadt Weimar und dem Lager nicht gegeben ist, wurde ferner die Frage weiterer Eingemeindungen, insbesondere die des Ettersberges, sowie die der Gemeinden Nohra, Tröbsdorf, Gaberndorf und Schöndorf mit den Herren des Ministeriums besprochen. Sie sagten, daß die Eingemeindung dieser Gebiete kommen müsse und baten ihrerseits, die Verhandlungen nicht auf die Eingemeindung des K-Lagers zu beschränken. Herr Ob.Reg.Rat Gommlich sagte ferner, es sei zweifellos auch der Wunsch des Reichsstatthalters, daß bei einer Eingemeindung des K-Lagers auch ein Zusammenhang mit der Stadt hergestellt werde.“

Auch diese Aktennotiz ist mit dem Namen Dr. Graebert unterzeichnet. Man vereinbart, dass am 16. September die Weimarer Finanzbeiräte und am 17. die Ratsherren zum Thema gehört werden.

Am 9. September verfasst die Stadtverwaltung den folgenden Entschließungsvorschlag zur Sitzung der Beiräte für finanzielle Angelegenheiten und der Ratsherren:

„Der Eingemeindung des K.-Lagers Buchenwald b. Weimar wird grundsätzlich zugestimmt. Die Ratsherren nehmen weiter zustimmend davon Kenntnis, daß wegen der Eingemeindung weiterer Ortschaften und Teile, insbesondere der aus der Niederschrift des Stadtkämmerers vom 8.9.37 ersichtlichen Gemeinden, sowie des Ettersberges Verhandlungen aufgenommen sind; sie sehen zu gegebener Zeit einer weiteren Vorlage entgegen.“

Laut einem Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung der Beiräte für finanzielle Angelegenheiten am Donnerstag, den 16. September 1937 hat sich Dr. Graebert dort wie folgt geäußert:

„Stadtkämmerer Dr. Graebert weist darauf hin, daß das K.Lager zu den Fluren Hottelstedt und Ottstedt gehöre und der Reichsstatthalter aus Zweckmäßigkeitsgründen eine Eingemeindung nach Weimar als geboten erachte. Dieser Wunsch werde vom Reichsführer SS geteilt. Zu prüfen sei die Frage, in welchem Maße durch die Eingemeindungen der Stadt Weimar eine Belastung zufallen werde. Diese Frage sei geprüft und es sei nicht zu erwarten, daß der Stadt eine Belastung zufalle. …“

Aus der Niederschrift der nichtöffentlichen Ratsherren-Sitzung am 17. September 1937 geht hervor:

„Nachdem die Ratsherren in ihrer Sitzung vom 17.9.1937 Bedenken gegen die ihnen vorgelegten Vorlagen nicht erhoben haben, ergehen im einzelnen folgende Entschließungen:

Zu Punkt 2: Eingemeindungen: Der Entschließungsvorschlag des Hauptamts vom 9.9.1937 wird zur Entschließung erhoben. Die Akten sind über das Rechtsamt dem Herrn Stadtkämmerer zur Veranlassung des Weiteren vorzulegen.“

In den folgenden Monaten findet, wie aus den Akten zu entnehmen ist, ein intensiver Austausch zwischen dem Weimarer Stadtkämmerer Dr. Graebert, der zum Teil gemeinsam mit Oberbürgermeister Koch oder Bürgermeister Thomas an den Besprechungen teilnimmt, jedoch ersichtlich immer der eigentlich fachlich Zuständige vonseiten der Stadt ist, mit Vertretern von K-Lager, Landkreis Weimar, Thüringer Innenministerium und Reichsstatthalter statt.

Inhalte der Besprechungen sind vor allem die juristischen Rahmenbedingungen für die geplanten Umflurungen, steuerliche und kommunalrechtliche Belange, die zwischen den beteiligten Gemeinden und dem Landkreis Weimar bzw. dem Gau Thüringen geregelt werden müssen. Intensiver Austausch erfolgt auch stadtverwaltungsintern, u. a. mit Oberbaurat Rogler.

Die Verhandlungen laufen bis zum 21. Dezember 1938, wo die Ratsherren in ihrer Sitzung zustimmend von der Entschließung des Oberbürgermeisters vom 14./15.12.1938 zu den Ein- und Ausflurungen von Teilen des Ettersberges Kenntnis nehmen. Im Anschluss an die Vorlage findet auf Anfrage eines Ratsherrn „hinsichtlich der Versorgung des K.Lagers in wirtschaftlicher Hinsicht  – Lebensmittel, Fleisch- und Bäckereiwaren, Wohnungsverhältnisse für die SS, hinsichtlich der Wasserversorgung sowie Eingemeindung im allgemeinen“ eine kurze Aussprache statt. Berichterstatter ist Stadtkämmerer Dr. Graebert.

Laut einer Notiz vom 17. Januar 1939, die Dr. Graebert als Vertreter des Oberbürgermeisters unterzeichnet hat, ist zu diesem Zeitpunkt die Eingemeindung des Buchenwaldes und des Ettersberges zur Stadt Weimar abgeschlossen.

Aus dem Aktenmaterial des Weimarer Stadtarchivs geht eindeutig hervor, dass Dr. Armin Graebert nicht nur von Beginn an über die meisten mit dem Aufbau des K.-Lagers Buchenwald verbundenen Details informiert, sondern auch maßgeblich für die Zusammenarbeit zwischen der Lager-SS und den städtischen Institutionen verantwortlich war.

Welche Beziehungen sich während der Amtszeit von Dr. Graebert als Stadtkämmerer in Weimar zwischen der Stadt und dem eingemeindeten Stadtteil K-Lager Buchenwald entwickelt haben und inwieweit dieser daran beteiligt war bzw. Einblick in die inneren Vorgänge im Lager hatte, werden wir im Teil 4 unserer Reportage näher beleuchten.

Quelle: Stadtarchiv Weimar, Akte StadtA Weimar, 16 107-01/9

Siehe auch:

Diskussion um Wurzener NSDAP-Oberbürgermeister

Teil 2: Karriere in der Gauhauptstadt Weimar