Ringelnatzhaus: Denkmalschutz erpresst Stadtverwaltung

Ringelnatzhaus: Denkmalschutz erpresst Stadtverwaltung

Immer neue Blüten treibt die Bürokratie ums Ringelnatzhaus, das dringend einer Sanierung bedarf. Wie berichtet, drohen mittlerweile erhebliche Gefahren, weil das Dach des denkmalgeschützten Gebäudes nach wie vor nur mit Folien abgedeckt ist und befürchtet werden muss, dass dieses Provisorium extremen Wetterereignissen nicht standhält.

Groß sei deshalb zunächst die Freude gewesen, so Oberbürgermeister Jörg Röglin, als am 28. September in der Wurzener Stadtverwaltung eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung für die komplexe Sanierung des Ringelnatzhauses eintraf, mit dem Inhalt, dass seitens der unteren Denkmalbehörde der Vorschlag der Stadt zum Umgang mit dem Dachstuhl als beste Alternative zwischen Erhalt des alten Dachstuhls und notwendiger statischer Stabilität des Daches an sich mitgetragen werde. Geplant und genehmigt ist die Errichtung eines zusätzlichen, vom historischen Dachstuhl unabhängigen Tragwerks, welches zur Sicherung des Daches notwendig ist.

Die Freude habe allerdings nur bis zum Punkt 2 des Bescheides gewährt: Am Freitag, dem 18.09.2020, habe die Stadt von der unteren Denkmalbehörde das Angebot erhalten, unverzüglich die denkmalschutzrechtliche Genehmigung auszustellen, sofern man auf die Nutzung des Dachgeschosses verzichten würde. Dies habe die Verwaltung abgelehnt. „Allerdings mussten wir im vorliegenden Bescheid lesen, dass die Nutzung des Dachgeschosses untersagt wurde bzw. der Bescheid auf Grundlage der Unterlagen vom Oktober 2019 erstellt wurde, die die Nutzung des Dachgeschosses noch für spätere Bauabschnitte vorsahen. Diese Antragsunterlagen wurden jedoch im Mai diesen Jahres, nach unserem Gespräch im Februar 2020, komplett durch einen neuen Antrag ersetzt.“, erklärt Jörg Röglin.

Dem Bescheid von Katrin Siebert vom SG Denkmalschutz ist dazu zu entnehmen, dass „zur Entscheidung im Abschnitt 1 Punkt 2 entsprechend des Planes Nr. 4-06 vom 04.10.2019 von einem ungenutzten Dachraum auszugehen“ war. Diese Pläne seien vom beauftragten Planungsbüro zur Entscheidung vorgelegt worden und dokumentierten das Dachgeschoss im Bestand ohne Nutzung. Aufgrund dessen könnten die Denkmalbehörden bei ihrer Entscheidung davon ausgehen, dass die Nutzung im Dachgeschoss dauerhaft aufgegeben wurde. Daher werde die beantragte Sanierung des Dachgeschosses im Bestand und ohne weitere Nutzungen betrachtet und es werde davon ausgegangen, dass keine zusätzlichen Anforderungen wie beispielsweise barrierefreie Erschließung, Rettungsweg etc. erforderlich sind.

Abgesehen davon, dass laut den Aussagen von Jörg Röglin selbst in den Planungen von 2019 keineswegs die Nutzung im Dachgeschoss aufgegeben, sondern lediglich für spätere Bauabschnitte vorgesehen worden war, müssen auch erhebliche Zweifel an der Rechtskraft eines Bescheides bestehen, der aufgrund veralteter und nicht korrekter Planungsunterlagen erstellt wurde. Doch es kommt noch dicker:

Die denkmalschutzrechtliche Genehmigung berechtigt nämlich keineswegs zur Fortführung der Bauarbeiten. Diese ist lediglich Grundlage für das Genehmigungsfreistellungsverfahren, erst mit dem entsprechenden Bescheid dazu könnten die Bauarbeiten am Ringelnatzhaus weitergeführt werden. Diesen allerdings würde die Stadt, so die Auskunft von Stadtplanerin Konstanze Neudert, erst erhalten, wenn ein neuer Antrag gestellt würde, mit dem die Stadt auf die Nutzung des Dachgeschosses verzichten würde – dies zumindest habe Patrick Puhl, der Leiter des Bauaufsichtsamts beim Landkreis Leipzig, ihr per Mail vermittelt.

Das heißt, offenbar ist man sich in der Landkreisbehörde durchaus darüber im Klaren, dass man keine rechtliche Grundlage hat, die Nutzung des Dachgeschosses zu verbieten. Offensichtlich will man mit dieser Vorgehensweise aber erreichen, dass die Stadt die vorgesehene Nutzung von sich aus aufgibt, womit sich die Notwendigkeit erübrigen würde, Aufzug und zweiten Rettungsweg im von der Stadt vorgesehenen, von der Denkmalschutzbehörde jedoch bislang abgelehnten Anbau an der Westseite bis ins Dachgeschoss zu führen. Und offenbar will man, um dieses Ziel zu erreichen, die Notlage der Stadt ausnutzen, dass der Bestand des Gebäudes durch die nur provisorische Dachabdeckung mit möglichen schweren Folgen bei Extremwetterlagen akut gefährdet ist.

Fast wie Hohn mutet unter diesen Umständen der Hinweis von Denkmalschützerin Katrin Siebert an: „Für eine Nutzungsänderung des Dachgeschosses ist eine separate denkmalschutzrechtliche Genehmigung erforderlich, welche wiederum die Grundlage für das Genehmigungsfreistellungsverfahren bildet. Es wird angeraten, dazu die Entscheidung der Landesdirektion Sachsen zum Widerspruchsverfahren „Errichtung eines Gebäudeanbaus westlich an das vorhandene Ringelnatzhaus“ abzuwarten.“ Wie diese Entscheidung ausfallen würde, wenn die Stadt Wurzen von sich aus auf eine Nutzung des Dachgeschosses verzichtet, dürfte klar sein.

Wie die Stadt nun mit dem Bescheid umgehen wird, ist noch unklar. Einerseits wolle man den Dachstuhl erneuern, andererseits könne man nicht auf die Nutzung des Dachgeschosses verzichten, so Oberbürgermeister Jörg Röglin. Er habe zunächst Landrat Henry Graichen gebeten, auf seine Genehmigungsbehörde dahingehend einzuwirken, dass diese einen Bescheid auf Grundlage der korrekten Antragsunterlagen ausfertigt.