So wie auf dem Bild könnte, geht es nach der Denkmalschutzbehörde beim Landkreis Leipzig, das sanierte Ringelnatzhaus aussehen: Im Zwischenbau an der Westseite des Gebäudes würden Fahrstuhl, zweiter Rettungsweg und Behinderten-WC Platz finden, dieser würde bis ins 1. Obergeschoss reichen. Eine Nutzung des Dachgeschosses ist nicht vorgesehen, womit sich eine Weiterführung des Anbaus über das 1. Obergeschoss hinaus erübrigen würde.
So ganz im Sinne des künftigen Nutzers und Betreibers, des Joachim-Ringelnatz-Vereins, wäre diese Lösung allerdings nicht. Wie Vereinsvorsitzende Dr. Viola Heß auf unsere Anfrage mitteilt, ist die Nutzung des Dachgeschosses nämlich explizit im Betreiberkonzept des Vereins vorgesehen.
„Vom Raumvolumen her handelt es sich um fast ein Drittel, eine ganze Etage. Auch hier sind wir bereit, Anforderungen der Denkmalpflege und unser Konzept in Einklang zu bringen. Denn auch wenn wir der Denkmalpflege folgen und auf die räumlichen Veränderungen der oberen Etage verzichten, können wir die Räume dennoch in ihrer derzeitigen Form nutzen im Sinne unserer Ziele. Der große Raum mit Fenstern ist eng mit Wurzens Geschichte verbunden. Hier wurde das “Wurzener Tageblatt” wieder gegründet, wirkten der “Rundblick” und der Geschichts- und Altstadtverein erfolgreich. Er soll und kann unbedingt weiter in diesem Sinne genutzt werden.
Es ist aufgrund des Nutzungskonzeptes für EG und 1 OG als Veranstaltungsräume der einzige Ort im Haus, den man relativ ungestört vom Hausbetrieb für Forschung an der Ringelnatzsammlung und für literarische Arbeit (Stipendien, Stadtschreiber, Stadtmaler) nutzen kann. Behindertengerechtigkeit ist auch für diese Nutzer notwendig. Die Räume ohne Fenster sind die einzigen möglichen Lagerräume im gesamten Haus. Gerade die würden wir dann nur über eine schmale Treppe erreichen. Ist das nicht auch eine Zumutung für eine Literaturgesellschaft, in der sich vornehmlich Ältere engagieren?
Aus diesen Gründen sind wir sehr froh, dass die Stadtverwaltung als Ganze, also der OBM und alle zuständigen Ämter, auf eine Lösung drängen, wenigstens den Fahrstuhl bis ins 2.OG zu führen. Der Bodenraum mit dem Dachstuhl bleibt von unserem Betreiberkonzept ohnehin unberührt.“, so Viola Heß.
Diesen Vorstellungen steht jedoch der aktuelle Bescheid der Denkmalschutzbehörde entgegen, der nicht nur jede bauliche Veränderung, sondern generell jegliche Nutzung des Dachgeschosses untersagt. Welche denkmalschützerischen Aspekte gegen eine generelle Nutzung sprechen, ist dem Bescheid nicht zu entnehmen, es ist daher zu vermuten, dass die Stadt auf die Nutzung nur deshalb verzichten soll, damit jegliche Notwendigkeit, Barrierefreiheit fürs Dachgeschoss zu schaffen, damit ad acta gelegt werden kann und der Streit um die Hochführung des Anbaus bis ins Dachgeschoss gegenstandslos wird.
Ein Widerspruch seitens der Stadt gegen diesen Bescheid hätte zwar möglicherweise Aussicht auf Erfolg, aber mit Sicherheit auch weitere Verzögerungen der Sanierungsarbeiten zur Folge mit möglicherweise schwerwiegenden Folgen für die Bausubstanz des Ringelnatzhauses, falls das nur notdürftig mit Folien bedeckte Dach kommenden Extremwetterlagen bzw. dem nahenden Winter nicht standhält.
Einzige derzeit gangbare Möglichkeit, zeitnah mit der Sanierung fortzufahren, wäre, die Vorgaben der Denkmalschutzbehörde notgedrungen mitzutragen. Offenbar ist man seitens der Stadtverwaltung im Interesse des Erhalts des Gebäudes daher bereit, nach Kompromissen zu suchen. In einem Schreiben an den Ringelnatzverein bittet Oberbürgermeister Jörg Röglin um eine konkrete Aussage, ob dieser weiterhin auf der Nutzung des Dachgeschosses besteht:
„Sofern Sie den Nutzungswunsch nicht länger verfolgen, könnten wir die Sanierung mit den vorliegenden Genehmigungen fortsetzen. Wir könnten weiterhin unseren Widerspruch zum Zwischenbau zurückziehen und, wie vom Denkmalschutz gefordert, den Zwischenbau nur bis zum 1. Obergeschoss errichten, um dieses mit dem Fahrstuhl barrierefrei erreichen zu können. Dies vorausgesetzt, könnte die Sanierung kurzfristig wieder in vollem Umfang aufgenommen werden.“ so Jörg Röglin.
Bis zum 09.10.2020 soll sich der Verein nun zu dem vorgeschlagenen Kompromiss äußern – oder ggf. einen eigenen Kompromissvorschlag einbringen.